Stolz nicht Ein Blüthenstäubchen der vorigen Liebe übrig gelassen, die aber im glatten, kal¬ ten Spiegel seiner epischen Seele, in welchem alle Figuren sich rein- aufgefasset und frei be¬ wegten, vermöge ihrer kräftigen Individuali¬ tät als eine Hauptfigur den Vordergrund be¬ wohnte. Da er Freiheit, Einheit, sogar Frech¬ heit des Geistes weit über sieches Frömmeln, Nachheucheln fremder Kräfte und bußfertigen Zwiespalt mit sich selber, setzte: so war die Fürstin sogar mit ihrem Zynismus der Zunge ihm "in ihrer Art lieb und werth." Sie er¬ kundigte sich mit vielem Feuer nach seines Soh¬ nes Zustand und Mitreise; er gab ihr mit sei¬ ner alten Ruhe die besten Hoffnungen.
Die Prinzessin Julienne war unzugänglich. Daß sie es hatte sehen müssen, wie die treue Gespielin ihrer Jugendzeit ein feindlicher, rauher Arm vom blumigen Ufer in den Todesfluß hin¬ einzogen und wie die Arme ermattet hinunter¬ geschwommen, das warf sie hart darnieder und sie wäre gern dem Opfer nachgestürzt. Sie war gestern nicht im Stande, mit den zwei Verschleierten hinzugehen.
Stolz nicht Ein Blüthenſtäubchen der vorigen Liebe übrig gelaſſen, die aber im glatten, kal¬ ten Spiegel ſeiner epiſchen Seele, in welchem alle Figuren ſich rein- aufgefaſſet und frei be¬ wegten, vermöge ihrer kräftigen Individuali¬ tät als eine Hauptfigur den Vordergrund be¬ wohnte. Da er Freiheit, Einheit, ſogar Frech¬ heit des Geiſtes weit über ſieches Frömmeln, Nachheucheln fremder Kräfte und bußfertigen Zwieſpalt mit ſich ſelber, ſetzte: ſo war die Fürſtin ſogar mit ihrem Zynismus der Zunge ihm „in ihrer Art lieb und werth.“ Sie er¬ kundigte ſich mit vielem Feuer nach ſeines Soh¬ nes Zuſtand und Mitreiſe; er gab ihr mit ſei¬ ner alten Ruhe die beſten Hoffnungen.
Die Prinzeſſin Julienne war unzugänglich. Daß ſie es hatte ſehen müſſen, wie die treue Geſpielin ihrer Jugendzeit ein feindlicher, rauher Arm vom blumigen Ufer in den Todesfluß hin¬ einzogen und wie die Arme ermattet hinunter¬ geſchwommen, das warf ſie hart darnieder und ſie wäre gern dem Opfer nachgeſtürzt. Sie war geſtern nicht im Stande, mit den zwei Verſchleierten hinzugehen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0409"n="397"/>
Stolz nicht Ein Blüthenſtäubchen der vorigen<lb/>
Liebe übrig gelaſſen, die aber im glatten, kal¬<lb/>
ten Spiegel ſeiner epiſchen Seele, in welchem<lb/>
alle Figuren ſich rein- aufgefaſſet und frei be¬<lb/>
wegten, vermöge ihrer kräftigen Individuali¬<lb/>
tät als eine Hauptfigur den Vordergrund be¬<lb/>
wohnte. Da er Freiheit, Einheit, ſogar Frech¬<lb/>
heit des Geiſtes weit über ſieches Frömmeln,<lb/>
Nachheucheln fremder Kräfte und bußfertigen<lb/>
Zwieſpalt mit ſich ſelber, ſetzte: ſo war die<lb/>
Fürſtin ſogar mit ihrem Zynismus der Zunge<lb/>
ihm „in ihrer Art lieb und werth.“ Sie er¬<lb/>
kundigte ſich mit vielem Feuer nach ſeines Soh¬<lb/>
nes Zuſtand und Mitreiſe; er gab ihr mit ſei¬<lb/>
ner alten Ruhe die beſten Hoffnungen.</p><lb/><p>Die Prinzeſſin Julienne war unzugänglich.<lb/>
Daß ſie es hatte ſehen müſſen, wie die treue<lb/>
Geſpielin ihrer Jugendzeit ein feindlicher, rauher<lb/>
Arm vom blumigen Ufer in den Todesfluß hin¬<lb/>
einzogen und wie die Arme ermattet hinunter¬<lb/>
geſchwommen, das warf ſie hart darnieder und<lb/>ſie wäre gern dem Opfer nachgeſtürzt. Sie<lb/>
war geſtern nicht im Stande, mit den zwei<lb/>
Verſchleierten hinzugehen.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[397/0409]
Stolz nicht Ein Blüthenſtäubchen der vorigen
Liebe übrig gelaſſen, die aber im glatten, kal¬
ten Spiegel ſeiner epiſchen Seele, in welchem
alle Figuren ſich rein- aufgefaſſet und frei be¬
wegten, vermöge ihrer kräftigen Individuali¬
tät als eine Hauptfigur den Vordergrund be¬
wohnte. Da er Freiheit, Einheit, ſogar Frech¬
heit des Geiſtes weit über ſieches Frömmeln,
Nachheucheln fremder Kräfte und bußfertigen
Zwieſpalt mit ſich ſelber, ſetzte: ſo war die
Fürſtin ſogar mit ihrem Zynismus der Zunge
ihm „in ihrer Art lieb und werth.“ Sie er¬
kundigte ſich mit vielem Feuer nach ſeines Soh¬
nes Zuſtand und Mitreiſe; er gab ihr mit ſei¬
ner alten Ruhe die beſten Hoffnungen.
Die Prinzeſſin Julienne war unzugänglich.
Daß ſie es hatte ſehen müſſen, wie die treue
Geſpielin ihrer Jugendzeit ein feindlicher, rauher
Arm vom blumigen Ufer in den Todesfluß hin¬
einzogen und wie die Arme ermattet hinunter¬
geſchwommen, das warf ſie hart darnieder und
ſie wäre gern dem Opfer nachgeſtürzt. Sie
war geſtern nicht im Stande, mit den zwei
Verſchleierten hinzugehen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/409>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.