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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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gieng; in dieser Verwirrung wurd' ihm nicht
gezeigt, wo Unschuld war.

Hätt' er vorausgesehen, daß seine briefli¬
chen Beichten in feindlichern Winkeln an- und
abprallen würden als einstmals seine mündli¬
chen: er hätte sie anders gerichtet.

Vor Erschütterung konnte Albano nicht so¬
gleich den kurzen Scheidebrief -- keinen Fehde¬
brief -- an den Verlohrnen schreiben, sondern
zögerte in der Gewißheit, daß der Hauptmann
nicht selber komme -- als er kam. Denn Zö¬
gern vertrug er nicht; körperliche und geistige
Wunden nahm er als theatralische auf; zu sehr
gewohnt, Menschen zu gewinnen, verwand ers
zu leicht, Menschen zu verlieren. -- Eine schreck¬
liche Erscheinung für Albano; nur der aufge¬
stellte lange Sarg des getödteten Lieblings! --
Daß nun über dieses kräftig-knochige Gesicht,
sonst die Veste ihrer Seelen, die Furchen des
Unkrauts sich krümmten, daß dieser Mund, den
die Freundschaft so oft auf seinen gelegt, ein
Pest-Krebs, eine deckende Rose des Zun¬
genskorpions für die trauend-annahende

gieng; in dieſer Verwirrung wurd' ihm nicht
gezeigt, wo Unſchuld war.

Hätt' er vorausgeſehen, daß ſeine briefli¬
chen Beichten in feindlichern Winkeln an- und
abprallen würden als einſtmals ſeine mündli¬
chen: er hätte ſie anders gerichtet.

Vor Erſchütterung konnte Albano nicht ſo¬
gleich den kurzen Scheidebrief — keinen Fehde¬
brief — an den Verlohrnen ſchreiben, ſondern
zögerte in der Gewißheit, daß der Hauptmann
nicht ſelber komme — als er kam. Denn Zö¬
gern vertrug er nicht; körperliche und geiſtige
Wunden nahm er als theatraliſche auf; zu ſehr
gewohnt, Menſchen zu gewinnen, verwand ers
zu leicht, Menſchen zu verlieren. — Eine ſchreck¬
liche Erſcheinung für Albano; nur der aufge¬
ſtellte lange Sarg des getödteten Lieblings! —
Daß nun über dieſes kräftig-knochige Geſicht,
ſonſt die Veſte ihrer Seelen, die Furchen des
Unkrauts ſich krümmten, daß dieſer Mund, den
die Freundſchaft ſo oft auf ſeinen gelegt, ein
Peſt-Krebs, eine deckende Roſe des Zun¬
genſkorpions für die trauend-annahende

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[292/0304] gieng; in dieſer Verwirrung wurd' ihm nicht gezeigt, wo Unſchuld war. Hätt' er vorausgeſehen, daß ſeine briefli¬ chen Beichten in feindlichern Winkeln an- und abprallen würden als einſtmals ſeine mündli¬ chen: er hätte ſie anders gerichtet. Vor Erſchütterung konnte Albano nicht ſo¬ gleich den kurzen Scheidebrief — keinen Fehde¬ brief — an den Verlohrnen ſchreiben, ſondern zögerte in der Gewißheit, daß der Hauptmann nicht ſelber komme — als er kam. Denn Zö¬ gern vertrug er nicht; körperliche und geiſtige Wunden nahm er als theatraliſche auf; zu ſehr gewohnt, Menſchen zu gewinnen, verwand ers zu leicht, Menſchen zu verlieren. — Eine ſchreck¬ liche Erſcheinung für Albano; nur der aufge¬ ſtellte lange Sarg des getödteten Lieblings! — Daß nun über dieſes kräftig-knochige Geſicht, ſonſt die Veſte ihrer Seelen, die Furchen des Unkrauts ſich krümmten, daß dieſer Mund, den die Freundſchaft ſo oft auf ſeinen gelegt, ein Peſt-Krebs, eine deckende Roſe des Zun¬ genſkorpions für die trauend-annahende

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/304>, abgerufen am 24.11.2024.