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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Göttliche -- was übrigens rührend war in
Lianens Bezug, ließ er an seinen Ort gestellt,
da er jetzt zu mahlen hatte. Häßlich leckten sei¬
ne vielfarbigen Panther-Augen gleich rothen, schar¬
fen Tyger-Zungen über das süße, weiche Antlitz! --
"Liebe Justa, hör' auf, das Lesen wird Dir sau¬
"er, Du athmest so kurz!" sagte sie endlich, weil
sie den Portraitmahler athmen hörte. Es war
für ihn kein Opfer, sondern ein Vor-Genuß,
ein süßer Imbis, den Kuß dieser zarten, kleinen
Hand und Lippe und die ganze Schaustellung
seines brennenden Herzens hinauszusetzen bis
er ihren Abriß mit den Gift-Tinten auf das
weisse Elfenbein durch die schnelle Dupfma¬
schine seiner Hand abpunktiret sah.

Endlich hatt' er sie Bunt auf Weiß. "Gut,
"liebe Justa, (sagte sie,) die Gebetglocke läutet,
"Du kannst Nichts mehr sehen. -- Führe mich
"lieber zum Instrument." -- nehmlich zur Har¬
monika. Sie thats. Bouverot gab Justen einen
Scheide-Wink -- sie thats wieder. Der gelbe
Gartenkanker lief nun auf die zarte, weisse Blu¬
me zu. -- Der Kanker hörte ihren Abend¬

Q 2

Göttliche — was übrigens rührend war in
Lianens Bezug, ließ er an ſeinen Ort geſtellt,
da er jetzt zu mahlen hatte. Häßlich leckten ſei¬
ne vielfarbigen Panther-Augen gleich rothen, ſchar¬
fen Tyger-Zungen über das ſüße, weiche Antlitz! —
„Liebe Juſta, hör' auf, das Leſen wird Dir ſau¬
„er, Du athmeſt ſo kurz!“ ſagte ſie endlich, weil
ſie den Portraitmahler athmen hörte. Es war
für ihn kein Opfer, ſondern ein Vor-Genuß,
ein ſüßer Imbis, den Kuß dieſer zarten, kleinen
Hand und Lippe und die ganze Schauſtellung
ſeines brennenden Herzens hinauszuſetzen bis
er ihren Abriß mit den Gift-Tinten auf das
weiſſe Elfenbein durch die ſchnelle Dupfma¬
ſchine ſeiner Hand abpunktiret ſah.

Endlich hatt' er ſie Bunt auf Weiß. „Gut,
„liebe Juſta, (ſagte ſie,) die Gebetglocke läutet,
„Du kannſt Nichts mehr ſehen. — Führe mich
„lieber zum Inſtrument.“ — nehmlich zur Har¬
monika. Sie thats. Bouverot gab Juſten einen
Scheide-Wink — ſie thats wieder. Der gelbe
Gartenkanker lief nun auf die zarte, weiſſe Blu¬
me zu. — Der Kanker hörte ihren Abend¬

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[243/0255] Göttliche — was übrigens rührend war in Lianens Bezug, ließ er an ſeinen Ort geſtellt, da er jetzt zu mahlen hatte. Häßlich leckten ſei¬ ne vielfarbigen Panther-Augen gleich rothen, ſchar¬ fen Tyger-Zungen über das ſüße, weiche Antlitz! — „Liebe Juſta, hör' auf, das Leſen wird Dir ſau¬ „er, Du athmeſt ſo kurz!“ ſagte ſie endlich, weil ſie den Portraitmahler athmen hörte. Es war für ihn kein Opfer, ſondern ein Vor-Genuß, ein ſüßer Imbis, den Kuß dieſer zarten, kleinen Hand und Lippe und die ganze Schauſtellung ſeines brennenden Herzens hinauszuſetzen bis er ihren Abriß mit den Gift-Tinten auf das weiſſe Elfenbein durch die ſchnelle Dupfma¬ ſchine ſeiner Hand abpunktiret ſah. Endlich hatt' er ſie Bunt auf Weiß. „Gut, „liebe Juſta, (ſagte ſie,) die Gebetglocke läutet, „Du kannſt Nichts mehr ſehen. — Führe mich „lieber zum Inſtrument.“ — nehmlich zur Har¬ monika. Sie thats. Bouverot gab Juſten einen Scheide-Wink — ſie thats wieder. Der gelbe Gartenkanker lief nun auf die zarte, weiſſe Blu¬ me zu. — Der Kanker hörte ihren Abend¬ Q 2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/255>, abgerufen am 24.11.2024.