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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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nernen angestrichnen Statuen gieng, so ver¬
schämt-beschämend, wie eine Zitternadel glän¬
zend und bebend, so oft wälzten sich Flammen-
Klumpen in ihm los. Die Leidenschaft wirft
uns, wie die Epilepsie oft ihre Elenden, gerade
an gefährliche Stellen des Lebens, an Ufer und
Klüfte hin. Er lehnte den Kopf an einen
Baum ein wenig gebückt; da kam Karl aus
seinen Freuden-Walzern daher und fragte ihn
erschrocken, was ihn so erzürne; denn das Nie¬
derbücken hatte auf sein straffes, markiges Ge¬
sicht düstere, wilde Schatten geworfen; "nichts"
sagt' er und das Gesicht leuchtete mild, da ers
emporhob. Jetzt kam auch die unbedachtsame
Rabette, und wollte ihn in die Freude ziehen
und sagte: "Dir fehlt was!" -- "Du," versetzt'
er und sah sie sehr zornig an.

"Geh in den finstern Eichenhain an Gas¬
pards Felsen! (rief sein Herz,) Dein Vater
beugte sich nie; sey sein Sohn!" Er schritt durch
die Glanz-Welt darauf hin; aber als er in¬
nen in der Finsterniß mit dem Kopfe am Fel¬
sen lehnte und die Töne neckend hereinspielten
und er sich dachte, wie er eine so edle Seele

Titan III. M

nernen angeſtrichnen Statuen gieng, ſo ver¬
ſchämt-beſchämend, wie eine Zitternadel glän¬
zend und bebend, ſo oft wälzten ſich Flammen-
Klumpen in ihm los. Die Leidenſchaft wirft
uns, wie die Epilepſie oft ihre Elenden, gerade
an gefährliche Stellen des Lebens, an Ufer und
Klüfte hin. Er lehnte den Kopf an einen
Baum ein wenig gebückt; da kam Karl aus
ſeinen Freuden-Walzern daher und fragte ihn
erſchrocken, was ihn ſo erzürne; denn das Nie¬
derbücken hatte auf ſein ſtraffes, markiges Ge¬
ſicht düſtere, wilde Schatten geworfen; „nichts“
ſagt' er und das Geſicht leuchtete mild, da ers
emporhob. Jetzt kam auch die unbedachtſame
Rabette, und wollte ihn in die Freude ziehen
und ſagte: „Dir fehlt was!“ — „Du,“ verſetzt'
er und ſah ſie ſehr zornig an.

„Geh in den finſtern Eichenhain an Gas¬
pards Felſen! (rief ſein Herz,) Dein Vater
beugte ſich nie; ſey ſein Sohn!“ Er ſchritt durch
die Glanz-Welt darauf hin; aber als er in¬
nen in der Finſterniß mit dem Kopfe am Fel¬
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und er ſich dachte, wie er eine ſo edle Seele

Titan III. M
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[177/0189] nernen angeſtrichnen Statuen gieng, ſo ver¬ ſchämt-beſchämend, wie eine Zitternadel glän¬ zend und bebend, ſo oft wälzten ſich Flammen- Klumpen in ihm los. Die Leidenſchaft wirft uns, wie die Epilepſie oft ihre Elenden, gerade an gefährliche Stellen des Lebens, an Ufer und Klüfte hin. Er lehnte den Kopf an einen Baum ein wenig gebückt; da kam Karl aus ſeinen Freuden-Walzern daher und fragte ihn erſchrocken, was ihn ſo erzürne; denn das Nie¬ derbücken hatte auf ſein ſtraffes, markiges Ge¬ ſicht düſtere, wilde Schatten geworfen; „nichts“ ſagt' er und das Geſicht leuchtete mild, da ers emporhob. Jetzt kam auch die unbedachtſame Rabette, und wollte ihn in die Freude ziehen und ſagte: „Dir fehlt was!“ — „Du,“ verſetzt' er und ſah ſie ſehr zornig an. „Geh in den finſtern Eichenhain an Gas¬ pards Felſen! (rief ſein Herz,) Dein Vater beugte ſich nie; ſey ſein Sohn!“ Er ſchritt durch die Glanz-Welt darauf hin; aber als er in¬ nen in der Finſterniß mit dem Kopfe am Fel¬ ſen lehnte und die Töne neckend hereinſpielten und er ſich dachte, wie er eine ſo edle Seele Titan III. M

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/189>, abgerufen am 24.11.2024.