Lichter den Schmerz hin und her, in niemand weiter, in Ihr gar nicht; sie hat für Alle das alte erfreuende Liebesherz mitgebracht, für mich nicht; sie hat bisher nicht gelitten, sie blüht ge¬ nesen. Er bedachte aber nicht, daß ja auch sei¬ ne Kämpfe keinen Tropfen Wasser in das dunk¬ le Roth seiner Jugend gegossen; in Lianen konn¬ ten Wunden aus solchen Kämpfen nur wie jene der geritzten Aphrodite die weißen Rosen zu rothen färben.
Aber er nahm sich vor, ein Mann zu blei¬ ben vor so vielen Augen und die Entscheidung und Lianens Einsamkeit abzuwarten. Er wech¬ selte daher mit seinen Pflege-Verwandten aus Blumenbühl mehrere verständige Worte; -- er sagte zu Rabetten: "nicht wahr, es gefällt Dir; --" er schreckte ohne Willen den um einige neue Gesichter aus Haarhaar schwebenden Hauptmann mit der nichtsmeinenden Frage auf: "warum lässest Du meine Schwester so allein?" --
Aber so oft er hinüber sah zu Lianen, die heute in ihrem langen Schleier als die einzige ohne schwere dicke Galla-Hülfe gleichsam als eine junge, athmende, weiche Gestalt unter stei¬
nernen
Lichter den Schmerz hin und her, in niemand weiter, in Ihr gar nicht; ſie hat für Alle das alte erfreuende Liebesherz mitgebracht, für mich nicht; ſie hat bisher nicht gelitten, ſie blüht ge¬ neſen. Er bedachte aber nicht, daß ja auch ſei¬ ne Kämpfe keinen Tropfen Waſſer in das dunk¬ le Roth ſeiner Jugend gegoſſen; in Lianen konn¬ ten Wunden aus ſolchen Kämpfen nur wie jene der geritzten Aphrodite die weißen Roſen zu rothen färben.
Aber er nahm ſich vor, ein Mann zu blei¬ ben vor ſo vielen Augen und die Entſcheidung und Lianens Einſamkeit abzuwarten. Er wech¬ ſelte daher mit ſeinen Pflege-Verwandten aus Blumenbühl mehrere verſtändige Worte; — er ſagte zu Rabetten: „nicht wahr, es gefällt Dir; —“ er ſchreckte ohne Willen den um einige neue Geſichter aus Haarhaar ſchwebenden Hauptmann mit der nichtsmeinenden Frage auf: „warum läſſeſt Du meine Schweſter ſo allein?“ —
Aber ſo oft er hinüber ſah zu Lianen, die heute in ihrem langen Schleier als die einzige ohne ſchwere dicke Galla-Hülfe gleichſam als eine junge, athmende, weiche Geſtalt unter ſtei¬
nernen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0188"n="176"/>
Lichter den Schmerz hin und her, in niemand<lb/>
weiter, in Ihr gar nicht; ſie hat für Alle das<lb/>
alte erfreuende Liebesherz mitgebracht, für mich<lb/>
nicht; ſie hat bisher nicht gelitten, ſie blüht ge¬<lb/>
neſen. Er bedachte aber nicht, daß ja auch ſei¬<lb/>
ne Kämpfe keinen Tropfen Waſſer in das dunk¬<lb/>
le Roth ſeiner Jugend gegoſſen; in Lianen konn¬<lb/>
ten Wunden aus ſolchen Kämpfen nur wie jene<lb/>
der geritzten Aphrodite die weißen Roſen zu<lb/>
rothen färben.</p><lb/><p>Aber er nahm ſich vor, ein Mann zu blei¬<lb/>
ben vor ſo vielen Augen und die Entſcheidung<lb/>
und Lianens Einſamkeit abzuwarten. Er wech¬<lb/>ſelte daher mit ſeinen Pflege-Verwandten aus<lb/>
Blumenbühl mehrere verſtändige Worte; —<lb/>
er ſagte zu Rabetten: „nicht wahr, es gefällt<lb/>
Dir; —“ er ſchreckte ohne Willen den um einige<lb/>
neue Geſichter aus Haarhaar ſchwebenden<lb/>
Hauptmann mit der nichtsmeinenden Frage auf:<lb/>„warum läſſeſt Du meine Schweſter ſo allein?“—</p><lb/><p>Aber ſo oft er hinüber ſah zu Lianen, die<lb/>
heute in ihrem langen Schleier als die einzige<lb/>
ohne ſchwere dicke Galla-Hülfe gleichſam als<lb/>
eine junge, athmende, weiche Geſtalt unter ſtei¬<lb/><fwplace="bottom"type="catch">nernen<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[176/0188]
Lichter den Schmerz hin und her, in niemand
weiter, in Ihr gar nicht; ſie hat für Alle das
alte erfreuende Liebesherz mitgebracht, für mich
nicht; ſie hat bisher nicht gelitten, ſie blüht ge¬
neſen. Er bedachte aber nicht, daß ja auch ſei¬
ne Kämpfe keinen Tropfen Waſſer in das dunk¬
le Roth ſeiner Jugend gegoſſen; in Lianen konn¬
ten Wunden aus ſolchen Kämpfen nur wie jene
der geritzten Aphrodite die weißen Roſen zu
rothen färben.
Aber er nahm ſich vor, ein Mann zu blei¬
ben vor ſo vielen Augen und die Entſcheidung
und Lianens Einſamkeit abzuwarten. Er wech¬
ſelte daher mit ſeinen Pflege-Verwandten aus
Blumenbühl mehrere verſtändige Worte; —
er ſagte zu Rabetten: „nicht wahr, es gefällt
Dir; —“ er ſchreckte ohne Willen den um einige
neue Geſichter aus Haarhaar ſchwebenden
Hauptmann mit der nichtsmeinenden Frage auf:
„warum läſſeſt Du meine Schweſter ſo allein?“ —
Aber ſo oft er hinüber ſah zu Lianen, die
heute in ihrem langen Schleier als die einzige
ohne ſchwere dicke Galla-Hülfe gleichſam als
eine junge, athmende, weiche Geſtalt unter ſtei¬
nernen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/188>, abgerufen am 05.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.