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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Lichter den Schmerz hin und her, in niemand
weiter, in Ihr gar nicht; sie hat für Alle das
alte erfreuende Liebesherz mitgebracht, für mich
nicht; sie hat bisher nicht gelitten, sie blüht ge¬
nesen. Er bedachte aber nicht, daß ja auch sei¬
ne Kämpfe keinen Tropfen Wasser in das dunk¬
le Roth seiner Jugend gegossen; in Lianen konn¬
ten Wunden aus solchen Kämpfen nur wie jene
der geritzten Aphrodite die weißen Rosen zu
rothen färben.

Aber er nahm sich vor, ein Mann zu blei¬
ben vor so vielen Augen und die Entscheidung
und Lianens Einsamkeit abzuwarten. Er wech¬
selte daher mit seinen Pflege-Verwandten aus
Blumenbühl mehrere verständige Worte; --
er sagte zu Rabetten: "nicht wahr, es gefällt
Dir; --" er schreckte ohne Willen den um einige
neue Gesichter aus Haarhaar schwebenden
Hauptmann mit der nichtsmeinenden Frage auf:
"warum lässest Du meine Schwester so allein?" --

Aber so oft er hinüber sah zu Lianen, die
heute in ihrem langen Schleier als die einzige
ohne schwere dicke Galla-Hülfe gleichsam als
eine junge, athmende, weiche Gestalt unter stei¬

nernen

Lichter den Schmerz hin und her, in niemand
weiter, in Ihr gar nicht; ſie hat für Alle das
alte erfreuende Liebesherz mitgebracht, für mich
nicht; ſie hat bisher nicht gelitten, ſie blüht ge¬
neſen. Er bedachte aber nicht, daß ja auch ſei¬
ne Kämpfe keinen Tropfen Waſſer in das dunk¬
le Roth ſeiner Jugend gegoſſen; in Lianen konn¬
ten Wunden aus ſolchen Kämpfen nur wie jene
der geritzten Aphrodite die weißen Roſen zu
rothen färben.

Aber er nahm ſich vor, ein Mann zu blei¬
ben vor ſo vielen Augen und die Entſcheidung
und Lianens Einſamkeit abzuwarten. Er wech¬
ſelte daher mit ſeinen Pflege-Verwandten aus
Blumenbühl mehrere verſtändige Worte; —
er ſagte zu Rabetten: „nicht wahr, es gefällt
Dir; —“ er ſchreckte ohne Willen den um einige
neue Geſichter aus Haarhaar ſchwebenden
Hauptmann mit der nichtsmeinenden Frage auf:
„warum läſſeſt Du meine Schweſter ſo allein?“ —

Aber ſo oft er hinüber ſah zu Lianen, die
heute in ihrem langen Schleier als die einzige
ohne ſchwere dicke Galla-Hülfe gleichſam als
eine junge, athmende, weiche Geſtalt unter ſtei¬

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[176/0188] Lichter den Schmerz hin und her, in niemand weiter, in Ihr gar nicht; ſie hat für Alle das alte erfreuende Liebesherz mitgebracht, für mich nicht; ſie hat bisher nicht gelitten, ſie blüht ge¬ neſen. Er bedachte aber nicht, daß ja auch ſei¬ ne Kämpfe keinen Tropfen Waſſer in das dunk¬ le Roth ſeiner Jugend gegoſſen; in Lianen konn¬ ten Wunden aus ſolchen Kämpfen nur wie jene der geritzten Aphrodite die weißen Roſen zu rothen färben. Aber er nahm ſich vor, ein Mann zu blei¬ ben vor ſo vielen Augen und die Entſcheidung und Lianens Einſamkeit abzuwarten. Er wech¬ ſelte daher mit ſeinen Pflege-Verwandten aus Blumenbühl mehrere verſtändige Worte; — er ſagte zu Rabetten: „nicht wahr, es gefällt Dir; —“ er ſchreckte ohne Willen den um einige neue Geſichter aus Haarhaar ſchwebenden Hauptmann mit der nichtsmeinenden Frage auf: „warum läſſeſt Du meine Schweſter ſo allein?“ — Aber ſo oft er hinüber ſah zu Lianen, die heute in ihrem langen Schleier als die einzige ohne ſchwere dicke Galla-Hülfe gleichſam als eine junge, athmende, weiche Geſtalt unter ſtei¬ nernen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/188>, abgerufen am 27.11.2024.