-- ihm von diesen drei Dingen hatten so viel nehmen lassen, daß sie ihm eben ihre kaltblüti¬ ge Verwandtin als die Kronwache ihrer nahen Thronfolge zugeben konnten. Er hörte dieselben Hochzeitgesänge von allen Hof-Pestizern, die wie ein Muskel, ein besonderes Bestreben äu¬ ßerten, sich kurz zu machen. Er sah, wie der Fürst -- obwohl mit dem Gefühle, bald in sei¬ ner Fett- oder Wassersucht zu ersaufen -- alle Lügen leicht und kalt und schadenfroh dahin¬ nahm -- -- O, müssen nicht die Fürsten, dacht' er, selber lügen, weil sie ewig belogen, selber schmeicheln lernen, weil sie immer geschmeichelt werden? -- Er selber konnte sichs nicht abge¬ winnen, nur den kleinsten Scherf eines lügen¬ den Glückwunsches in den allgemeinen Lügen- Fiskus zu werfen.
Die Fürstin warf dem Grafen -- so oft es gieng und fast öfter -- zwei Blicke oder Wor¬ te zu; denn dieser Blühende erinnerte unter den Thron-Küstenbewohnern, von denen man leich¬ ter ein Echo als eine Antwort hört, allein an seinen kräftigen Vater. Der Hauptmann brach¬ te einige mal -- weil er gleich allen Schwär¬
— ihm von dieſen drei Dingen hatten ſo viel nehmen laſſen, daß ſie ihm eben ihre kaltblüti¬ ge Verwandtin als die Kronwache ihrer nahen Thronfolge zugeben konnten. Er hörte dieſelben Hochzeitgeſänge von allen Hof-Peſtizern, die wie ein Muſkel, ein beſonderes Beſtreben äu¬ ßerten, ſich kurz zu machen. Er ſah, wie der Fürſt — obwohl mit dem Gefühle, bald in ſei¬ ner Fett- oder Waſſerſucht zu erſaufen — alle Lügen leicht und kalt und ſchadenfroh dahin¬ nahm — — O, müſſen nicht die Fürſten, dacht' er, ſelber lügen, weil ſie ewig belogen, ſelber ſchmeicheln lernen, weil ſie immer geſchmeichelt werden? — Er ſelber konnte ſichs nicht abge¬ winnen, nur den kleinſten Scherf eines lügen¬ den Glückwunſches in den allgemeinen Lügen- Fiskus zu werfen.
Die Fürſtin warf dem Grafen — ſo oft es gieng und faſt öfter — zwei Blicke oder Wor¬ te zu; denn dieſer Blühende erinnerte unter den Thron-Küſtenbewohnern, von denen man leich¬ ter ein Echo als eine Antwort hört, allein an ſeinen kräftigen Vater. Der Hauptmann brach¬ te einige mal — weil er gleich allen Schwär¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0176"n="164"/>— ihm von dieſen drei Dingen hatten ſo viel<lb/>
nehmen laſſen, daß ſie ihm eben ihre kaltblüti¬<lb/>
ge Verwandtin als die Kronwache ihrer nahen<lb/>
Thronfolge zugeben konnten. Er hörte dieſelben<lb/>
Hochzeitgeſänge von allen Hof-Peſtizern, die<lb/>
wie ein Muſkel, ein beſonderes Beſtreben äu¬<lb/>
ßerten, ſich kurz zu machen. Er ſah, wie der<lb/>
Fürſt — obwohl mit dem Gefühle, bald in ſei¬<lb/>
ner Fett- oder Waſſerſucht zu erſaufen — alle<lb/>
Lügen leicht und kalt und ſchadenfroh dahin¬<lb/>
nahm —— O, müſſen nicht die Fürſten, dacht'<lb/>
er, ſelber lügen, weil ſie ewig belogen, ſelber<lb/>ſchmeicheln lernen, weil ſie immer geſchmeichelt<lb/>
werden? — Er ſelber konnte ſichs nicht abge¬<lb/>
winnen, nur den kleinſten Scherf eines lügen¬<lb/>
den Glückwunſches in den allgemeinen Lügen-<lb/>
Fiskus zu werfen.</p><lb/><p>Die Fürſtin warf dem Grafen —ſo oft<lb/>
es gieng und faſt öfter — zwei Blicke oder Wor¬<lb/>
te zu; denn dieſer Blühende erinnerte unter den<lb/>
Thron-Küſtenbewohnern, von denen man leich¬<lb/>
ter ein Echo als eine Antwort hört, allein an<lb/>ſeinen kräftigen Vater. Der Hauptmann brach¬<lb/>
te einige mal — weil er gleich allen Schwär¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[164/0176]
— ihm von dieſen drei Dingen hatten ſo viel
nehmen laſſen, daß ſie ihm eben ihre kaltblüti¬
ge Verwandtin als die Kronwache ihrer nahen
Thronfolge zugeben konnten. Er hörte dieſelben
Hochzeitgeſänge von allen Hof-Peſtizern, die
wie ein Muſkel, ein beſonderes Beſtreben äu¬
ßerten, ſich kurz zu machen. Er ſah, wie der
Fürſt — obwohl mit dem Gefühle, bald in ſei¬
ner Fett- oder Waſſerſucht zu erſaufen — alle
Lügen leicht und kalt und ſchadenfroh dahin¬
nahm — — O, müſſen nicht die Fürſten, dacht'
er, ſelber lügen, weil ſie ewig belogen, ſelber
ſchmeicheln lernen, weil ſie immer geſchmeichelt
werden? — Er ſelber konnte ſichs nicht abge¬
winnen, nur den kleinſten Scherf eines lügen¬
den Glückwunſches in den allgemeinen Lügen-
Fiskus zu werfen.
Die Fürſtin warf dem Grafen — ſo oft
es gieng und faſt öfter — zwei Blicke oder Wor¬
te zu; denn dieſer Blühende erinnerte unter den
Thron-Küſtenbewohnern, von denen man leich¬
ter ein Echo als eine Antwort hört, allein an
ſeinen kräftigen Vater. Der Hauptmann brach¬
te einige mal — weil er gleich allen Schwär¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/176>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.