unglaublich, zumal nach dem vorigen Verschwei¬ gen; nur die feinste Männerseele sondert in der weiblichen die zusammenlaufenden Gränzen der Selbsttäuschung und der willkürlichen Täu¬ schung ab, der Schwäche und des Trugs, des Zufalls und des Entschlusses; die Ministerin ohnehin gehörte unter die Weiber, die man erst lieben muß um sie zu kennen, was sich sonst umkehret. Er akzeptirte auf der Einen Seite gern das Bekenntniß der Beistimmung und Mitwirkung -- bloß um es künftig als Waffe gegen sie zu wenden --; konnt' aber auf der andern ihr nicht verbergen, daß sie also wieder (so sprach er stets) nach eignem Geständniß über ihre Kinder aus Mangel an Argwohn fehlgesehen habe. Er behielt die Ge¬ wohnheit bei, auf eine offenherzige Seele, die ihm ihre Lücken zeigte, durch diese Lücken, als hab' er sie selber gebrochen, gewaffnet einzu¬ dringen. Das Beichtkind, das vor ihm um Vergebung knieete, drückt' er tiefer nieder, und zog statt des Löseschlüssels den Hammer des Gesetzes hervor.
Ich bin hier den Spaniern, die mich einst
unglaublich, zumal nach dem vorigen Verſchwei¬ gen; nur die feinſte Männerſeele ſondert in der weiblichen die zuſammenlaufenden Gränzen der Selbſttäuſchung und der willkürlichen Täu¬ ſchung ab, der Schwäche und des Trugs, des Zufalls und des Entſchluſſes; die Miniſterin ohnehin gehörte unter die Weiber, die man erſt lieben muß um ſie zu kennen, was ſich ſonſt umkehret. Er akzeptirte auf der Einen Seite gern das Bekenntniß der Beiſtimmung und Mitwirkung — bloß um es künftig als Waffe gegen ſie zu wenden —; konnt' aber auf der andern ihr nicht verbergen, daß ſie alſo wieder (ſo ſprach er ſtets) nach eignem Geſtändniß über ihre Kinder aus Mangel an Argwohn fehlgeſehen habe. Er behielt die Ge¬ wohnheit bei, auf eine offenherzige Seele, die ihm ihre Lücken zeigte, durch dieſe Lücken, als hab' er ſie ſelber gebrochen, gewaffnet einzu¬ dringen. Das Beichtkind, das vor ihm um Vergebung knieete, drückt' er tiefer nieder, und zog ſtatt des Löſeſchlüſſels den Hammer des Geſetzes hervor.
Ich bin hier den Spaniern, die mich einſt
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[109/0121]
unglaublich, zumal nach dem vorigen Verſchwei¬
gen; nur die feinſte Männerſeele ſondert in der
weiblichen die zuſammenlaufenden Gränzen der
Selbſttäuſchung und der willkürlichen Täu¬
ſchung ab, der Schwäche und des Trugs, des
Zufalls und des Entſchluſſes; die Miniſterin
ohnehin gehörte unter die Weiber, die man
erſt lieben muß um ſie zu kennen, was ſich
ſonſt umkehret. Er akzeptirte auf der Einen
Seite gern das Bekenntniß der Beiſtimmung
und Mitwirkung — bloß um es künftig als
Waffe gegen ſie zu wenden —; konnt' aber
auf der andern ihr nicht verbergen, daß ſie
alſo wieder (ſo ſprach er ſtets) nach eignem
Geſtändniß über ihre Kinder aus Mangel an
Argwohn fehlgeſehen habe. Er behielt die Ge¬
wohnheit bei, auf eine offenherzige Seele, die
ihm ihre Lücken zeigte, durch dieſe Lücken, als
hab' er ſie ſelber gebrochen, gewaffnet einzu¬
dringen. Das Beichtkind, das vor ihm um
Vergebung knieete, drückt' er tiefer nieder,
und zog ſtatt des Löſeſchlüſſels den Hammer
des Geſetzes hervor.
Ich bin hier den Spaniern, die mich einſt
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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/121>, abgerufen am 26.11.2024.
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