Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

die Menschen in die schöne Nacht; und keiner
schmachtete mehr als er hinaus.

Für Seelenaugen ist das Himmelblau,
was für körperliche das Erdengrün, nämlich
eine innige Stärkung. Als Zesara endlich aus
den Ketten des Zimmers, aus diesem geistigen
Hausarrest, los und ledig hinaustrat unter
das freie Reich des Himmels und aller Sterne
und auf den magischen Statuen-Olymp, nach
welchem er so oft sehnsüchtig aufgeblickt: so
schlug die gewaltsam zusammengezogne Brust
elastisch auseinander, wie rückten die Sternbil¬
der des Lebens in hellere Formen zusammen,
wie waltete der Frühling und die Nacht! --

Der alte Gärtner, der blos aus dankbarer
Anhänglichkeit ans "seelengute leutseelige Fräu¬
lein" mit seltener Mühe dem cereus serpens
solche Früh-Blüthen abgenöthigt hatte, stand
schon als scheinbarer Beobachter der Blumen,
in der That aber aufs größte Lob aufsehend,
mit einem braunen, gezackten, punktirten und
ernsten Gesichte droben, das mit keinem Lächeln
zum Lobe ausfoderte.

Liane dankte dem Gärtner, ehe sie an den

die Menſchen in die ſchöne Nacht; und keiner
ſchmachtete mehr als er hinaus.

Für Seelenaugen iſt das Himmelblau,
was für körperliche das Erdengrün, nämlich
eine innige Stärkung. Als Zeſara endlich aus
den Ketten des Zimmers, aus dieſem geiſtigen
Hausarreſt, los und ledig hinaustrat unter
das freie Reich des Himmels und aller Sterne
und auf den magiſchen Statuen-Olymp, nach
welchem er ſo oft ſehnſüchtig aufgeblickt: ſo
ſchlug die gewaltſam zuſammengezogne Bruſt
elaſtiſch auseinander, wie rückten die Sternbil¬
der des Lebens in hellere Formen zuſammen,
wie waltete der Frühling und die Nacht! —

Der alte Gärtner, der blos aus dankbarer
Anhänglichkeit ans „ſeelengute leutſeelige Fräu¬
lein“ mit ſeltener Mühe dem cereus serpens
ſolche Früh-Blüthen abgenöthigt hatte, ſtand
ſchon als ſcheinbarer Beobachter der Blumen,
in der That aber aufs größte Lob aufſehend,
mit einem braunen, gezackten, punktirten und
ernſten Geſichte droben, das mit keinem Lächeln
zum Lobe ausfoderte.

Liane dankte dem Gärtner, ehe ſie an den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0063" n="55"/>
die Men&#x017F;chen in die &#x017F;chöne Nacht; und keiner<lb/>
&#x017F;chmachtete mehr als er hinaus.</p><lb/>
          <p>Für Seelenaugen i&#x017F;t das Himmel<hi rendition="#g">blau</hi>,<lb/>
was für körperliche das Erden<hi rendition="#g">grün</hi>, nämlich<lb/>
eine innige Stärkung. Als Ze&#x017F;ara endlich aus<lb/>
den Ketten des Zimmers, aus die&#x017F;em gei&#x017F;tigen<lb/>
Hausarre&#x017F;t, los und ledig hinaustrat unter<lb/>
das freie Reich des Himmels und aller Sterne<lb/>
und auf den <choice><sic>magi&#x017F;chrn</sic><corr>magi&#x017F;chen</corr></choice> Statuen-Olymp, nach<lb/>
welchem er &#x017F;o oft &#x017F;ehn&#x017F;üchtig aufgeblickt: &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chlug die gewalt&#x017F;am zu&#x017F;ammengezogne Bru&#x017F;t<lb/>
ela&#x017F;ti&#x017F;ch auseinander, wie rückten die Sternbil¬<lb/>
der des Lebens in hellere Formen zu&#x017F;ammen,<lb/>
wie waltete der Frühling und die Nacht! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Der alte Gärtner, der blos aus dankbarer<lb/>
Anhänglichkeit ans &#x201E;&#x017F;eelengute leut&#x017F;eelige Fräu¬<lb/>
lein&#x201C; mit &#x017F;eltener Mühe dem <hi rendition="#aq">cereus serpens</hi><lb/>
&#x017F;olche Früh-Blüthen abgenöthigt hatte, &#x017F;tand<lb/>
&#x017F;chon als &#x017F;cheinbarer Beobachter der Blumen,<lb/>
in der That aber aufs größte Lob auf&#x017F;ehend,<lb/>
mit einem braunen, gezackten, punktirten und<lb/>
ern&#x017F;ten Ge&#x017F;ichte droben, das mit keinem Lächeln<lb/>
zum Lobe ausfoderte.</p><lb/>
          <p>Liane dankte dem Gärtner, ehe &#x017F;ie an den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0063] die Menſchen in die ſchöne Nacht; und keiner ſchmachtete mehr als er hinaus. Für Seelenaugen iſt das Himmelblau, was für körperliche das Erdengrün, nämlich eine innige Stärkung. Als Zeſara endlich aus den Ketten des Zimmers, aus dieſem geiſtigen Hausarreſt, los und ledig hinaustrat unter das freie Reich des Himmels und aller Sterne und auf den magiſchen Statuen-Olymp, nach welchem er ſo oft ſehnſüchtig aufgeblickt: ſo ſchlug die gewaltſam zuſammengezogne Bruſt elaſtiſch auseinander, wie rückten die Sternbil¬ der des Lebens in hellere Formen zuſammen, wie waltete der Frühling und die Nacht! — Der alte Gärtner, der blos aus dankbarer Anhänglichkeit ans „ſeelengute leutſeelige Fräu¬ lein“ mit ſeltener Mühe dem cereus serpens ſolche Früh-Blüthen abgenöthigt hatte, ſtand ſchon als ſcheinbarer Beobachter der Blumen, in der That aber aufs größte Lob aufſehend, mit einem braunen, gezackten, punktirten und ernſten Geſichte droben, das mit keinem Lächeln zum Lobe ausfoderte. Liane dankte dem Gärtner, ehe ſie an den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/63
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/63>, abgerufen am 24.11.2024.