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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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Liane konnt' es für einen malerischen Ta¬
del des überladenen Näh-Gartens nehmen, den
sie blos ihrem Vater zu Liebe so voll säete --
denn Froulay, aus den Zeiten gebürtig, wo
man noch mit dem Kleide die Tressen besetzte,
knöpfte gern ein kleines Seiden-Herbarium an
den Leib --; aber sie sagte nichts als lächelnd
das: "Nun das Blättchen ist dem bösen Schick¬
"sal ja entgangen, es ist angeschaut."

"Was thut Vergehen und Vergeblichkeit?"
(nahm Roquairol voll Gleichgültigkeit gegen
den Lektor, der eben hereintrat, das Wort und
voll Gleichgültigkeit gegen die Meinung der
Mutter, der wie dem Vater ihn nur die Bitten
der Schwester zuweilen unterwarfen) "Genug,
"wenn etwas ist. Über der Wüste singen die
"Vögel und ziehen die Sterne und kein Mensch
"sieht die Pracht. Wahrlich überall geht in und
"ausser dem Menschen mehr ungesehen vorüber
"als gesehen. Die Natur schöpft aus ewigen
"Meeren und erschöpft sich nicht; wir sind auch
"eine Natur und sollen schöpfen und ausgie¬
"ßen und nicht immer bekümmert dem wässern¬
"den Nutzen jedes Strichregens und Regenbo¬

Liane konnt' es für einen maleriſchen Ta¬
del des überladenen Näh-Gartens nehmen, den
ſie blos ihrem Vater zu Liebe ſo voll ſäete —
denn Froulay, aus den Zeiten gebürtig, wo
man noch mit dem Kleide die Treſſen beſetzte,
knöpfte gern ein kleines Seiden-Herbarium an
den Leib —; aber ſie ſagte nichts als lächelnd
das: „Nun das Blättchen iſt dem böſen Schick¬
„ſal ja entgangen, es iſt angeſchaut.“

„Was thut Vergehen und Vergeblichkeit?“
(nahm Roquairol voll Gleichgültigkeit gegen
den Lektor, der eben hereintrat, das Wort und
voll Gleichgültigkeit gegen die Meinung der
Mutter, der wie dem Vater ihn nur die Bitten
der Schweſter zuweilen unterwarfen) „Genug,
„wenn etwas iſt. Über der Wüſte ſingen die
„Vögel und ziehen die Sterne und kein Menſch
„ſieht die Pracht. Wahrlich überall geht in und
„auſſer dem Menſchen mehr ungeſehen vorüber
„als geſehen. Die Natur ſchöpft aus ewigen
„Meeren und erſchöpft ſich nicht; wir ſind auch
„eine Natur und ſollen ſchöpfen und ausgie¬
„ßen und nicht immer bekümmert dem wäſſern¬
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[44/0052] Liane konnt' es für einen maleriſchen Ta¬ del des überladenen Näh-Gartens nehmen, den ſie blos ihrem Vater zu Liebe ſo voll ſäete — denn Froulay, aus den Zeiten gebürtig, wo man noch mit dem Kleide die Treſſen beſetzte, knöpfte gern ein kleines Seiden-Herbarium an den Leib —; aber ſie ſagte nichts als lächelnd das: „Nun das Blättchen iſt dem böſen Schick¬ „ſal ja entgangen, es iſt angeſchaut.“ „Was thut Vergehen und Vergeblichkeit?“ (nahm Roquairol voll Gleichgültigkeit gegen den Lektor, der eben hereintrat, das Wort und voll Gleichgültigkeit gegen die Meinung der Mutter, der wie dem Vater ihn nur die Bitten der Schweſter zuweilen unterwarfen) „Genug, „wenn etwas iſt. Über der Wüſte ſingen die „Vögel und ziehen die Sterne und kein Menſch „ſieht die Pracht. Wahrlich überall geht in und „auſſer dem Menſchen mehr ungeſehen vorüber „als geſehen. Die Natur ſchöpft aus ewigen „Meeren und erſchöpft ſich nicht; wir ſind auch „eine Natur und ſollen ſchöpfen und ausgie¬ „ßen und nicht immer bekümmert dem wäſſern¬ „den Nutzen jedes Strichregens und Regenbo¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/52>, abgerufen am 24.11.2024.