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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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lings die lebendigen Wellen -- eine geflügelte
Welt ruderte darin und die Vögel tauchten sich
tief in die Blumen unter -- hinter den Freun¬
den brannte die Sonne, und vor ihnen lag die
Blumenbühler Höhe ganz rosenroth. Oben
wandten sie die Pferde gegen die Sonne, die
hinter den Kuppeln und Rauchsäulen der stolz¬
brennenden Stadt in fernen hellen Gärten ruhte.
Nahe gerückt lag die erleuchtete Erde um sie
her und Albano konnte die weissen Statuen
auf Lianens Dach lebendig unter dem blühen¬
den Gewölk erröthen sehen. Er drängte sein
Pferd an das fremde, um die Hand auf Karls
Achsel zu drücken; und so sahen sie schweigend
zu, wie die liebevolle Sonne die goldne Wol¬
kenkrone ablegte und mit dem flatternden Laub¬
gewinde um die heisse Stirn ins Meer hinun¬
terzog. Und als es dämmerte auf der Erde
und glühte am Himmel und Albano sich hin¬
über neigte und seinen Freund ans brennende
Herz herüberzog: so stieg das Abendgeläute in
Blumenbühl herauf -- "und dort drunten,"
sagte Karl mit sanfter Stimme und kehrte sich
hin, "liegt Dein friedlich Blumenbühl wie ein

lings die lebendigen Wellen — eine geflügelte
Welt ruderte darin und die Vögel tauchten ſich
tief in die Blumen unter — hinter den Freun¬
den brannte die Sonne, und vor ihnen lag die
Blumenbühler Höhe ganz roſenroth. Oben
wandten ſie die Pferde gegen die Sonne, die
hinter den Kuppeln und Rauchſäulen der ſtolz¬
brennenden Stadt in fernen hellen Gärten ruhte.
Nahe gerückt lag die erleuchtete Erde um ſie
her und Albano konnte die weiſſen Statuen
auf Lianens Dach lebendig unter dem blühen¬
den Gewölk erröthen ſehen. Er drängte ſein
Pferd an das fremde, um die Hand auf Karls
Achſel zu drücken; und ſo ſahen ſie ſchweigend
zu, wie die liebevolle Sonne die goldne Wol¬
kenkrone ablegte und mit dem flatternden Laub¬
gewinde um die heiſſe Stirn ins Meer hinun¬
terzog. Und als es dämmerte auf der Erde
und glühte am Himmel und Albano ſich hin¬
über neigte und ſeinen Freund ans brennende
Herz herüberzog: ſo ſtieg das Abendgeläute in
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[21/0029] lings die lebendigen Wellen — eine geflügelte Welt ruderte darin und die Vögel tauchten ſich tief in die Blumen unter — hinter den Freun¬ den brannte die Sonne, und vor ihnen lag die Blumenbühler Höhe ganz roſenroth. Oben wandten ſie die Pferde gegen die Sonne, die hinter den Kuppeln und Rauchſäulen der ſtolz¬ brennenden Stadt in fernen hellen Gärten ruhte. Nahe gerückt lag die erleuchtete Erde um ſie her und Albano konnte die weiſſen Statuen auf Lianens Dach lebendig unter dem blühen¬ den Gewölk erröthen ſehen. Er drängte ſein Pferd an das fremde, um die Hand auf Karls Achſel zu drücken; und ſo ſahen ſie ſchweigend zu, wie die liebevolle Sonne die goldne Wol¬ kenkrone ablegte und mit dem flatternden Laub¬ gewinde um die heiſſe Stirn ins Meer hinun¬ terzog. Und als es dämmerte auf der Erde und glühte am Himmel und Albano ſich hin¬ über neigte und ſeinen Freund ans brennende Herz herüberzog: ſo ſtieg das Abendgeläute in Blumenbühl herauf — „und dort drunten,“ ſagte Karl mit ſanfter Stimme und kehrte ſich hin, „liegt Dein friedlich Blumenbühl wie ein

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/29>, abgerufen am 16.04.2024.