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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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Albano vermengt, ihre ganze Bildergallerie
steckte in dem Gesangbuch, dessen Lieder sie mit
goldnen rothen Heiligen auseinandersperrte.
Die andern verstanden nichts -- sie kannten ihn
nur als Grafen von Zesara -- aber Liane
warf auf Rabette süßerröthend einen zärtlich
strafenden Blik und sah mit stummen Erdulden
ein anderes Gemälde näher an. Nie hatte
Albano -- in welchem sich die stärksten und die
zärtesten Gefühle paarten, wie das Echo den
Donner lauter und die Musik leiser macht --
die bittersüße Mischung von Liebe und Mit¬
leiden und Schamröthe wärmer gearbeitet und
er hätte vor dem Mädchen zugleich knieen
und doch schweigen mögen.

Der deutsche Herr war fertig und sagte zu
den Männern mit einer Mine voll Sieg, "er
"habe doch noch etwas in der Tasche was es
"mit den Raphaels aufnehme; und er bitte sie,
"ins Nebenzimmer zu folgen." Unterwegs
merkt' er an, wenige Werke seyen mit so herrli¬
cher Frechheit und keckem Muthwillen ausge¬
führt. Im Zimmer packt' er einen erzenen

Albano vermengt, ihre ganze Bildergallerie
ſteckte in dem Geſangbuch, deſſen Lieder ſie mit
goldnen rothen Heiligen auseinanderſperrte.
Die andern verſtanden nichts — ſie kannten ihn
nur als Grafen von Zeſara — aber Liane
warf auf Rabette ſüßerröthend einen zärtlich
ſtrafenden Blik und ſah mit ſtummen Erdulden
ein anderes Gemälde näher an. Nie hatte
Albano — in welchem ſich die ſtärkſten und die
zärteſten Gefühle paarten, wie das Echo den
Donner lauter und die Muſik leiſer macht —
die bitterſüße Miſchung von Liebe und Mit¬
leiden und Schamröthe wärmer gearbeitet und
er hätte vor dem Mädchen zugleich knieen
und doch ſchweigen mögen.

Der deutſche Herr war fertig und ſagte zu
den Männern mit einer Mine voll Sieg, „er
„habe doch noch etwas in der Taſche was es
„mit den Raphaels aufnehme; und er bitte ſie,
„ins Nebenzimmer zu folgen.“ Unterwegs
merkt' er an, wenige Werke ſeyen mit ſo herrli¬
cher Frechheit und keckem Muthwillen ausge¬
führt. Im Zimmer packt' er einen erzenen

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[141/0149] Albano vermengt, ihre ganze Bildergallerie ſteckte in dem Geſangbuch, deſſen Lieder ſie mit goldnen rothen Heiligen auseinanderſperrte. Die andern verſtanden nichts — ſie kannten ihn nur als Grafen von Zeſara — aber Liane warf auf Rabette ſüßerröthend einen zärtlich ſtrafenden Blik und ſah mit ſtummen Erdulden ein anderes Gemälde näher an. Nie hatte Albano — in welchem ſich die ſtärkſten und die zärteſten Gefühle paarten, wie das Echo den Donner lauter und die Muſik leiſer macht — die bitterſüße Miſchung von Liebe und Mit¬ leiden und Schamröthe wärmer gearbeitet und er hätte vor dem Mädchen zugleich knieen und doch ſchweigen mögen. Der deutſche Herr war fertig und ſagte zu den Männern mit einer Mine voll Sieg, „er „habe doch noch etwas in der Taſche was es „mit den Raphaels aufnehme; und er bitte ſie, „ins Nebenzimmer zu folgen.“ Unterwegs merkt' er an, wenige Werke ſeyen mit ſo herrli¬ cher Frechheit und keckem Muthwillen ausge¬ führt. Im Zimmer packt' er einen erzenen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/149>, abgerufen am 06.05.2024.