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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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rung geholt zu seyn schien und dem sein wal¬
lendes Herz recht liebend entgegenfloß; aber
er entsann sich des Urbilds nicht. -- Endlich
sagte Julienne, die Etiquette verschmähend,
recht gutmüthig und aufblickend: "ach lieber
"Augusti, mein Vater ist verschieden in Li¬
"lar." Das Wort Lilar kolorirte plötzlich in
Albano das bleiche Gedächtnißbild -- völlig
wie diese blasse Büste sah im Mondscheine der
alte Mann aus, der in jener dichterischen
Sommernacht Zesarens Hände auf dem Berge
zum Gebet zusammenlegte und sagte: gehe
schlafen, lieber Sohn, eh' das Gewitter kommt.
Ein andrer hätte sich nun nach dem Namen
der Büste erkundigt und erst dann die nächt¬
liche Historie entdeckt; aber der Graf that im
Feuer bloß das letztere, nach einem kurzen
Warten auf das Auslaufen des Gesprächs, Au¬
gusti wollte ihn, als er die ihm fremde Ge¬
schichte der Bekanntschaft mit dem Urbilde an¬
hob, sorgend unterbrechen; aber Julienne gab
ihm einen Wink, ihn zu lassen; und der Jüng¬
ling theilte treuherzig der theilnehmenden Seele
das schöne Zusammenkommen gerührt und

rung geholt zu ſeyn ſchien und dem ſein wal¬
lendes Herz recht liebend entgegenfloß; aber
er entſann ſich des Urbilds nicht. — Endlich
ſagte Julienne, die Etiquette verſchmähend,
recht gutmüthig und aufblickend: „ach lieber
„Auguſti, mein Vater iſt verſchieden in Li¬
lar.“ Das Wort Lilar kolorirte plötzlich in
Albano das bleiche Gedächtnißbild — völlig
wie dieſe blaſſe Büſte ſah im Mondſcheine der
alte Mann aus, der in jener dichteriſchen
Sommernacht Zeſarens Hände auf dem Berge
zum Gebet zuſammenlegte und ſagte: gehe
ſchlafen, lieber Sohn, eh' das Gewitter kommt.
Ein andrer hätte ſich nun nach dem Namen
der Büſte erkundigt und erſt dann die nächt¬
liche Hiſtorie entdeckt; aber der Graf that im
Feuer bloß das letztere, nach einem kurzen
Warten auf das Auslaufen des Geſprächs, Au¬
guſti wollte ihn, als er die ihm fremde Ge¬
ſchichte der Bekanntſchaft mit dem Urbilde an¬
hob, ſorgend unterbrechen; aber Julienne gab
ihm einen Wink, ihn zu laſſen; und der Jüng¬
ling theilte treuherzig der theilnehmenden Seele
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[287/0307] rung geholt zu ſeyn ſchien und dem ſein wal¬ lendes Herz recht liebend entgegenfloß; aber er entſann ſich des Urbilds nicht. — Endlich ſagte Julienne, die Etiquette verſchmähend, recht gutmüthig und aufblickend: „ach lieber „Auguſti, mein Vater iſt verſchieden in Li¬ „lar.“ Das Wort Lilar kolorirte plötzlich in Albano das bleiche Gedächtnißbild — völlig wie dieſe blaſſe Büſte ſah im Mondſcheine der alte Mann aus, der in jener dichteriſchen Sommernacht Zeſarens Hände auf dem Berge zum Gebet zuſammenlegte und ſagte: gehe ſchlafen, lieber Sohn, eh' das Gewitter kommt. Ein andrer hätte ſich nun nach dem Namen der Büſte erkundigt und erſt dann die nächt¬ liche Hiſtorie entdeckt; aber der Graf that im Feuer bloß das letztere, nach einem kurzen Warten auf das Auslaufen des Geſprächs, Au¬ guſti wollte ihn, als er die ihm fremde Ge¬ ſchichte der Bekanntſchaft mit dem Urbilde an¬ hob, ſorgend unterbrechen; aber Julienne gab ihm einen Wink, ihn zu laſſen; und der Jüng¬ ling theilte treuherzig der theilnehmenden Seele das ſchöne Zuſammenkommen gerührt und

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/307>, abgerufen am 03.05.2024.