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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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brennend mit, und wurde beides noch mehr
als ihre Augen überflossen in ihr Lächeln. --
"Es war mein Vater, das ist sein Abguß!"
sagte Julienne weinend und freudig; Albano
schlug nach seiner Art, mit seufzender Brust
die Hände vor der Büste zusammen und sagte:
"du edle herzlich geliebte Gestalt!" und sein
großes Auge schimmerte von Liebe und Trauer.

Die gute weibliche Seele wurde von einer
so unhöfischen Theilnahme fortgerissen und sie
überließ sich ganz ihrem angebornen Feuer.
Das weibliche und das höfische Leben ist zwar
nur die längere Strafe des Gewehrtragens
-- Oberhofmeisterinnen sind, wie es nach dem
Modelle der Jaherren Neinherren giebt, wahre
Neinfrauen -- die siebenfarbige Kokarde der
heitern tanzenden Freiheit wird da abgerissen
oder läuft schwarz an von der Hoftrauer --
jeder weibliche Lusthain ist ein unheiliger --
fataleres kenn' ich nichts -- -- -- aber die
kraushaarige Julienne brach, mir nichts dir
nichts, durch das ewige Gefängniß bei süßem
Brodte und gebranntem Wasser des Tages
wohl 12mal hinaus und lachte den freien Himmel

an

brennend mit, und wurde beides noch mehr
als ihre Augen überfloſſen in ihr Lächeln. —
„Es war mein Vater, das iſt ſein Abguß!“
ſagte Julienne weinend und freudig; Albano
ſchlug nach ſeiner Art, mit ſeufzender Bruſt
die Hände vor der Büſte zuſammen und ſagte:
„du edle herzlich geliebte Geſtalt!“ und ſein
großes Auge ſchimmerte von Liebe und Trauer.

Die gute weibliche Seele wurde von einer
ſo unhöfiſchen Theilnahme fortgeriſſen und ſie
überließ ſich ganz ihrem angebornen Feuer.
Das weibliche und das höfiſche Leben iſt zwar
nur die längere Strafe des Gewehrtragens
— Oberhofmeiſterinnen ſind, wie es nach dem
Modelle der Jaherren Neinherren giebt, wahre
Neinfrauen — die ſiebenfarbige Kokarde der
heitern tanzenden Freiheit wird da abgeriſſen
oder läuft ſchwarz an von der Hoftrauer —
jeder weibliche Luſthain iſt ein unheiliger —
fataleres kenn' ich nichts — — — aber die
kraushaarige Julienne brach, mir nichts dir
nichts, durch das ewige Gefängniß bei ſüßem
Brodte und gebranntem Waſſer des Tages
wohl 12mal hinaus und lachte den freien Himmel

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[288/0308] brennend mit, und wurde beides noch mehr als ihre Augen überfloſſen in ihr Lächeln. — „Es war mein Vater, das iſt ſein Abguß!“ ſagte Julienne weinend und freudig; Albano ſchlug nach ſeiner Art, mit ſeufzender Bruſt die Hände vor der Büſte zuſammen und ſagte: „du edle herzlich geliebte Geſtalt!“ und ſein großes Auge ſchimmerte von Liebe und Trauer. Die gute weibliche Seele wurde von einer ſo unhöfiſchen Theilnahme fortgeriſſen und ſie überließ ſich ganz ihrem angebornen Feuer. Das weibliche und das höfiſche Leben iſt zwar nur die längere Strafe des Gewehrtragens — Oberhofmeiſterinnen ſind, wie es nach dem Modelle der Jaherren Neinherren giebt, wahre Neinfrauen — die ſiebenfarbige Kokarde der heitern tanzenden Freiheit wird da abgeriſſen oder läuft ſchwarz an von der Hoftrauer — jeder weibliche Luſthain iſt ein unheiliger — fataleres kenn' ich nichts — — — aber die kraushaarige Julienne brach, mir nichts dir nichts, durch das ewige Gefängniß bei ſüßem Brodte und gebranntem Waſſer des Tages wohl 12mal hinaus und lachte den freien Himmel an

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/308>, abgerufen am 22.11.2024.