Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

geistert? -- Wehmeier that Unrecht, daß er
unserm Juwelenkolibri Falterle gegenübersaß
als eine Ohreule oder Vogelspinne, die bereit
ist, den Kolibri jede Minute zu rupfen und
zu fressen. Wahrlich Falterle sagte nichts aus
Bosheit, er konnte niemand verachten und has¬
sen, weil seine geistigen Augen in seinem auf¬
geschwollenen Ich so tief saßen, daß er damit
gar nicht über das geschwollene Ich heraus¬
schauen konnte, er verletzte keine Seele, und
umflog die Leute nur wie ein stiller Schmet¬
terling, nicht wie eine stechende sumsende
Bremse, und sog kein Blut sondern Honig
(d. h. ein kleines Lob). --

"Sollte sich wohl H. v. Falterle (sagte
"Wehrfriz, der alsdann, sobald er nur diesen
"kalten Wetterstrahl auf Albano herunterge¬
"than hatte, diesen nicht mehr fliehend und
"kalt anschielen wollte) der junge Minister zu¬
"weilen auf eine Vogelstange setzen wie unser
"Albano da?" -- Das war zu viel für dich ge¬
quältes Kind! "Nein!" sagte Albano ehern
und mit der Freundlichkeit eines Leichnams,
welche Nachsterben bedeutet, und verließ mit

geiſtert? — Wehmeier that Unrecht, daß er
unſerm Juwelenkolibri Falterle gegenüberſaß
als eine Ohreule oder Vogelſpinne, die bereit
iſt, den Kolibri jede Minute zu rupfen und
zu freſſen. Wahrlich Falterle ſagte nichts aus
Bosheit, er konnte niemand verachten und has¬
ſen, weil ſeine geiſtigen Augen in ſeinem auf¬
geſchwollenen Ich ſo tief ſaßen, daß er damit
gar nicht über das geſchwollene Ich heraus¬
ſchauen konnte, er verletzte keine Seele, und
umflog die Leute nur wie ein ſtiller Schmet¬
terling, nicht wie eine ſtechende ſumſende
Bremſe, und ſog kein Blut ſondern Honig
(d. h. ein kleines Lob). —

„Sollte ſich wohl H. v. Falterle (ſagte
„Wehrfriz, der alsdann, ſobald er nur dieſen
„kalten Wetterſtrahl auf Albano herunterge¬
„than hatte, dieſen nicht mehr fliehend und
„kalt anſchielen wollte) der junge Miniſter zu¬
„weilen auf eine Vogelſtange ſetzen wie unſer
„Albano da?“ — Das war zu viel für dich ge¬
quältes Kind! „Nein!“ ſagte Albano ehern
und mit der Freundlichkeit eines Leichnams,
welche Nachſterben bedeutet, und verließ mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0195" n="175"/>
gei&#x017F;tert? &#x2014; Wehmeier that Unrecht, daß er<lb/>
un&#x017F;erm Juwelenkolibri Falterle gegenüber&#x017F;<lb/>
als eine Ohreule oder Vogel&#x017F;pinne, die bereit<lb/>
i&#x017F;t, den Kolibri jede Minute zu rupfen und<lb/>
zu fre&#x017F;&#x017F;en. Wahrlich Falterle &#x017F;agte nichts aus<lb/>
Bosheit, er konnte niemand verachten und has¬<lb/>
&#x017F;en, weil &#x017F;eine gei&#x017F;tigen Augen in &#x017F;einem auf¬<lb/>
ge&#x017F;chwollenen Ich &#x017F;o tief &#x017F;aßen, daß er damit<lb/>
gar nicht über das ge&#x017F;chwollene Ich heraus¬<lb/>
&#x017F;chauen konnte, er verletzte keine Seele, und<lb/>
umflog die Leute nur wie ein &#x017F;tiller Schmet¬<lb/>
terling, nicht wie eine &#x017F;techende &#x017F;um&#x017F;ende<lb/>
Brem&#x017F;e, und &#x017F;og kein Blut &#x017F;ondern Honig<lb/>
(d. h. ein kleines Lob). &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sollte &#x017F;ich wohl H. v. Falterle (&#x017F;agte<lb/>
&#x201E;Wehrfriz, der alsdann, &#x017F;obald er nur die&#x017F;en<lb/>
&#x201E;kalten Wetter&#x017F;trahl auf Albano herunterge¬<lb/>
&#x201E;than hatte, die&#x017F;en nicht mehr fliehend und<lb/>
&#x201E;kalt an&#x017F;chielen wollte) der junge Mini&#x017F;ter zu¬<lb/>
&#x201E;weilen auf eine Vogel&#x017F;tange &#x017F;etzen wie un&#x017F;er<lb/>
&#x201E;Albano da?&#x201C; &#x2014; Das war zu viel für dich ge¬<lb/>
quältes Kind! &#x201E;Nein!&#x201C; &#x017F;agte Albano ehern<lb/>
und mit der Freundlichkeit eines Leichnams,<lb/>
welche Nach&#x017F;terben bedeutet, und verließ mit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0195] geiſtert? — Wehmeier that Unrecht, daß er unſerm Juwelenkolibri Falterle gegenüberſaß als eine Ohreule oder Vogelſpinne, die bereit iſt, den Kolibri jede Minute zu rupfen und zu freſſen. Wahrlich Falterle ſagte nichts aus Bosheit, er konnte niemand verachten und has¬ ſen, weil ſeine geiſtigen Augen in ſeinem auf¬ geſchwollenen Ich ſo tief ſaßen, daß er damit gar nicht über das geſchwollene Ich heraus¬ ſchauen konnte, er verletzte keine Seele, und umflog die Leute nur wie ein ſtiller Schmet¬ terling, nicht wie eine ſtechende ſumſende Bremſe, und ſog kein Blut ſondern Honig (d. h. ein kleines Lob). — „Sollte ſich wohl H. v. Falterle (ſagte „Wehrfriz, der alsdann, ſobald er nur dieſen „kalten Wetterſtrahl auf Albano herunterge¬ „than hatte, dieſen nicht mehr fliehend und „kalt anſchielen wollte) der junge Miniſter zu¬ „weilen auf eine Vogelſtange ſetzen wie unſer „Albano da?“ — Das war zu viel für dich ge¬ quältes Kind! „Nein!“ ſagte Albano ehern und mit der Freundlichkeit eines Leichnams, welche Nachſterben bedeutet, und verließ mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/195
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/195>, abgerufen am 23.11.2024.