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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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frere terrible war, womit man ihn bezwang;
-- aber er saß still ohne Zeichen da und er¬
stickte das schreiende Herz. Wehrfriz kannte
dieses stumme Verbeißen; gleichwohl handelte
er so als hab' ihn Albano nicht verstanden.

Nun fieng auch der Wiener an, in alle
Ecken und Nischen des ministerialischen Vati¬
kans Leuchtkugeln zu werfen, bloß um seine
Tanz- und Musikschüler darin und sich selber
günstig zu beleuchten. Kann nicht die Tochter
des Ministers, kaum zehn Jahre alt, alle neue
Sprachen, und die Harmonika, die Albano
noch nicht einmal gehöret, und schon vierhän¬
dige Sonaten von Kotzeluch und singt wie die
Nachtigal schon in unbelaubten Aesten und
zwar Opernauszüge, die ihre zarte Nachtigal¬
lenbrust aushöhlen, daher er fortgemußt? --
Ja kann der Bruder nicht noch weit mehr und
hat alle Lesebibliotheken ausgelesen, besonders
die Theaterstücke, die er noch dazu auf Lieb¬
haberbühnen auch spielt? Und wird er nicht
gerade in dieser Stunde im heutigen bal mas¬
que
seine Sache recht gut machen, wenn er
anders da den Gegenstand antrifft, der ihn be¬

frère terrible war, womit man ihn bezwang;
— aber er ſaß ſtill ohne Zeichen da und er¬
ſtickte das ſchreiende Herz. Wehrfriz kannte
dieſes ſtumme Verbeißen; gleichwohl handelte
er ſo als hab' ihn Albano nicht verſtanden.

Nun fieng auch der Wiener an, in alle
Ecken und Niſchen des miniſterialiſchen Vati¬
kans Leuchtkugeln zu werfen, bloß um ſeine
Tanz- und Muſikſchüler darin und ſich ſelber
günſtig zu beleuchten. Kann nicht die Tochter
des Miniſters, kaum zehn Jahre alt, alle neue
Sprachen, und die Harmonika, die Albano
noch nicht einmal gehöret, und ſchon vierhän¬
dige Sonaten von Kotzeluch und ſingt wie die
Nachtigal ſchon in unbelaubten Aeſten und
zwar Opernauszüge, die ihre zarte Nachtigal¬
lenbruſt aushöhlen, daher er fortgemußt? —
Ja kann der Bruder nicht noch weit mehr und
hat alle Leſebibliotheken ausgeleſen, beſonders
die Theaterſtücke, die er noch dazu auf Lieb¬
haberbühnen auch ſpielt? Und wird er nicht
gerade in dieſer Stunde im heutigen bal mas¬
qué
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[174/0194] frère terrible war, womit man ihn bezwang; — aber er ſaß ſtill ohne Zeichen da und er¬ ſtickte das ſchreiende Herz. Wehrfriz kannte dieſes ſtumme Verbeißen; gleichwohl handelte er ſo als hab' ihn Albano nicht verſtanden. Nun fieng auch der Wiener an, in alle Ecken und Niſchen des miniſterialiſchen Vati¬ kans Leuchtkugeln zu werfen, bloß um ſeine Tanz- und Muſikſchüler darin und ſich ſelber günſtig zu beleuchten. Kann nicht die Tochter des Miniſters, kaum zehn Jahre alt, alle neue Sprachen, und die Harmonika, die Albano noch nicht einmal gehöret, und ſchon vierhän¬ dige Sonaten von Kotzeluch und ſingt wie die Nachtigal ſchon in unbelaubten Aeſten und zwar Opernauszüge, die ihre zarte Nachtigal¬ lenbruſt aushöhlen, daher er fortgemußt? — Ja kann der Bruder nicht noch weit mehr und hat alle Leſebibliotheken ausgeleſen, beſonders die Theaterſtücke, die er noch dazu auf Lieb¬ haberbühnen auch ſpielt? Und wird er nicht gerade in dieſer Stunde im heutigen bal mas¬ qué ſeine Sache recht gut machen, wenn er anders da den Gegenſtand antrifft, der ihn be¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/194>, abgerufen am 27.11.2024.