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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Er erinnerte sich erstlich, daß er sich zu vergessen
und auf ihre Hand die seinige im Feuer des Redens
zu legen habe; darauf stellt' er sich als besänn' er
sich, als nähm' er seiner Hand ein Loth ums an¬
dre in der Absicht, sie unvermerkt wegzuheben'
sobald sie mehr nicht wöge als ein Fingerglied --
"so handelt (sagt' er zu sich) feinere Delikatesse
immer; und ich werd' es sehen was sie verfängt."
Seine zweite Teufelei war, daß er in der Spie¬
gelplatte, woran er saß, ihr Gesicht (seinem ei¬
genen gab statt des Preises nur das Akzessit) an¬
schielte und bewunderte, da er doch das Original
näher hatte. Eine Schäferin von Porzellan trieb
Schäfchen über den Spiegel: "ich habe noch keine
schönere Schäferin unter Glas gesehen," sagt' er
doppelsinnig; "aber ich ein schöneres Schaaf,"
sagte die Defaillante und meinte ihn.

Diese Spiegelplatte kam mit ihrer Schäferin,
die über ein umblümtes Ufer in das gläserne Was¬
ser sah, und mit ihrem Lamm und Schäfer fast
der Gustavischen Szene nahe. Beatens Auge ver¬
lor sich unwillkührlich zwischen diese Blumen und
nahm ihr Ohr mit sich, in das der Legationsrath
vergeblich mit seinem kriegslistigen Witze einzubre¬

Er erinnerte ſich erſtlich, daß er ſich zu vergeſſen
und auf ihre Hand die ſeinige im Feuer des Redens
zu legen habe; darauf ſtellt' er ſich als beſaͤnn' er
ſich, als naͤhm' er ſeiner Hand ein Loth ums an¬
dre in der Abſicht, ſie unvermerkt wegzuheben'
ſobald ſie mehr nicht woͤge als ein Fingerglied —
„ſo handelt (ſagt' er zu ſich) feinere Delikateſſe
immer; und ich werd' es ſehen was ſie verfaͤngt.”
Seine zweite Teufelei war, daß er in der Spie¬
gelplatte, woran er ſaß, ihr Geſicht (ſeinem ei¬
genen gab ſtatt des Preiſes nur das Akzeſſit) an¬
ſchielte und bewunderte, da er doch das Original
naͤher hatte. Eine Schaͤferin von Porzellan trieb
Schaͤfchen uͤber den Spiegel: „ich habe noch keine
ſchoͤnere Schaͤferin unter Glas geſehen,” ſagt' er
doppelſinnig; „aber ich ein ſchoͤneres Schaaf,”
ſagte die Défaillante und meinte ihn.

Dieſe Spiegelplatte kam mit ihrer Schaͤferin,
die uͤber ein umbluͤmtes Ufer in das glaͤſerne Waſ¬
ſer ſah, und mit ihrem Lamm und Schaͤfer faſt
der Guſtaviſchen Szene nahe. Beatens Auge ver¬
lor ſich unwillkuͤhrlich zwiſchen dieſe Blumen und
nahm ihr Ohr mit ſich, in das der Legationsrath
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[73/0083] Er erinnerte ſich erſtlich, daß er ſich zu vergeſſen und auf ihre Hand die ſeinige im Feuer des Redens zu legen habe; darauf ſtellt' er ſich als beſaͤnn' er ſich, als naͤhm' er ſeiner Hand ein Loth ums an¬ dre in der Abſicht, ſie unvermerkt wegzuheben' ſobald ſie mehr nicht woͤge als ein Fingerglied — „ſo handelt (ſagt' er zu ſich) feinere Delikateſſe immer; und ich werd' es ſehen was ſie verfaͤngt.” Seine zweite Teufelei war, daß er in der Spie¬ gelplatte, woran er ſaß, ihr Geſicht (ſeinem ei¬ genen gab ſtatt des Preiſes nur das Akzeſſit) an¬ ſchielte und bewunderte, da er doch das Original naͤher hatte. Eine Schaͤferin von Porzellan trieb Schaͤfchen uͤber den Spiegel: „ich habe noch keine ſchoͤnere Schaͤferin unter Glas geſehen,” ſagt' er doppelſinnig; „aber ich ein ſchoͤneres Schaaf,” ſagte die Défaillante und meinte ihn. Dieſe Spiegelplatte kam mit ihrer Schaͤferin, die uͤber ein umbluͤmtes Ufer in das glaͤſerne Waſ¬ ſer ſah, und mit ihrem Lamm und Schaͤfer faſt der Guſtaviſchen Szene nahe. Beatens Auge ver¬ lor ſich unwillkuͤhrlich zwiſchen dieſe Blumen und nahm ihr Ohr mit ſich, in das der Legationsrath vergeblich mit ſeinem kriegsliſtigen Witze einzubre¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/83>, abgerufen am 22.11.2024.