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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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gleich einerlei wäre -- ich hingegen behaupte,
diese taugen nichts und die, die so viel taugen als
Beata, können nicht mit Worten gefangen wer¬
den, weil ihre Gedanken nie schlimmer sind als ihre
Worte. Freilich aus einem Zimmer (oder Herzen)
wo es innen brennt und raucht, lodert die Flam¬
me aus der ersten Oefnung heraus, die du auf¬
machst.

Seine dritte Behauptung und List war, Männer
fühlten den Werth des Einfachen und das Erhab¬
ne der Aufrichtigkeit und der geraden Versicherung
"ich habe dich lieb," aber Mädchen wollten tour¬
nure
und Feinheit und Umschweife in diese Versi¬
cherung, die türkische Briefstellerei durch gewachse¬
ne Blumen wär' ihnen lieber als die mit poetischen,
eine thätige Schmeichelei lieber als eine wörtliche --
ich aber behaupte daß er Recht hat. Daher ließ
er z. B. seine Repetiruhr vor der Ohnmächtigen
allemal die Stunde ihres letzten Rendevous repeti¬
ren und er gefiel ihr unendlich; daher sah er ei¬
ne allemal wenns zu machen und zu merken war,
schielend hinter dem Rücken im Spiegel an --
daher steckt' er gegen Beaten voll Teufeleien, die
ich fast alle nennen sollte. Zwei nenn' ich auch.

gleich einerlei waͤre — ich hingegen behaupte,
dieſe taugen nichts und die, die ſo viel taugen als
Beata, koͤnnen nicht mit Worten gefangen wer¬
den, weil ihre Gedanken nie ſchlimmer ſind als ihre
Worte. Freilich aus einem Zimmer (oder Herzen)
wo es innen brennt und raucht, lodert die Flam¬
me aus der erſten Oefnung heraus, die du auf¬
machſt.

Seine dritte Behauptung und Liſt war, Maͤnner
fuͤhlten den Werth des Einfachen und das Erhab¬
ne der Aufrichtigkeit und der geraden Verſicherung
„ich habe dich lieb,“ aber Maͤdchen wollten tour¬
nure
und Feinheit und Umſchweife in dieſe Verſi¬
cherung, die tuͤrkiſche Briefſtellerei durch gewachſe¬
ne Blumen waͤr' ihnen lieber als die mit poetiſchen‚
eine thaͤtige Schmeichelei lieber als eine woͤrtliche —
ich aber behaupte daß er Recht hat. Daher ließ
er z. B. ſeine Repetiruhr vor der Ohnmaͤchtigen
allemal die Stunde ihres letzten Rendevous repeti¬
ren und er gefiel ihr unendlich; daher ſah er ei¬
ne allemal wenns zu machen und zu merken war,
ſchielend hinter dem Ruͤcken im Spiegel an —
daher ſteckt' er gegen Beaten voll Teufeleien, die
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[72/0082] gleich einerlei waͤre — ich hingegen behaupte, dieſe taugen nichts und die, die ſo viel taugen als Beata, koͤnnen nicht mit Worten gefangen wer¬ den, weil ihre Gedanken nie ſchlimmer ſind als ihre Worte. Freilich aus einem Zimmer (oder Herzen) wo es innen brennt und raucht, lodert die Flam¬ me aus der erſten Oefnung heraus, die du auf¬ machſt. Seine dritte Behauptung und Liſt war, Maͤnner fuͤhlten den Werth des Einfachen und das Erhab¬ ne der Aufrichtigkeit und der geraden Verſicherung „ich habe dich lieb,“ aber Maͤdchen wollten tour¬ nure und Feinheit und Umſchweife in dieſe Verſi¬ cherung, die tuͤrkiſche Briefſtellerei durch gewachſe¬ ne Blumen waͤr' ihnen lieber als die mit poetiſchen‚ eine thaͤtige Schmeichelei lieber als eine woͤrtliche — ich aber behaupte daß er Recht hat. Daher ließ er z. B. ſeine Repetiruhr vor der Ohnmaͤchtigen allemal die Stunde ihres letzten Rendevous repeti¬ ren und er gefiel ihr unendlich; daher ſah er ei¬ ne allemal wenns zu machen und zu merken war, ſchielend hinter dem Ruͤcken im Spiegel an — daher ſteckt' er gegen Beaten voll Teufeleien, die ich faſt alle nennen ſollte. Zwei nenn' ich auch.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/82>, abgerufen am 09.05.2024.