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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Menschen nennt, kaum wirbeln sieht -- und die
kouleurten Gold-Insekten, womit das Gewächsreich
musivisch besteckt ist, machen einen gleichgültiger
gegen die Hof-Insekten, womit man einen Thron
fourniert. -- Gegenwärtiger Verfasser stattete alle¬
mal dem großen Erd- und Himmelzirkel eine Visi¬
te vor und eine nach der Visite ab, die er ei¬
nem kleinern Cercle machte, damit der große die
Eindrücke des kleinen verhütete und verlöschte.

Ich werde roth, wenn ich mir denke, wie
unbehülflich sich mein Gustav durch zwei Vorzim¬
mer in einen Salon mag haben führen lassen, wo
wenigstens schon an sieben Spieltischen Streiter sa¬
ßen. Feinheit der Denkungsart ist Anlage, Fein¬
heit des Ausdrucks ist eine Frucht, wozu nicht
gerade Hofgärtner nöthig sind; aber Feinheit des
äußern Anstands ist nirgends zu holen als da, wo
sie alles gilt -- in der großen Welt voll Mikro¬
kosmen
. Sollt' ich von letzterer Feinheit mehr
aufzuweisen haben als man gewöhnlich bei meinem
Advozier-Stand sucht; so bin ich nie so eitel, sie
aus etwas anderem abzuleiten als aus meinem Le¬
ben am Scheerauer Hof. -- Die Residentin (Bea¬
ta ohnehin nicht) spielte selten, und mit Recht:

Menſchen nennt, kaum wirbeln ſieht — und die
kouleurten Gold-Inſekten, womit das Gewaͤchsreich
muſiviſch beſteckt iſt, machen einen gleichguͤltiger
gegen die Hof-Inſekten, womit man einen Thron
fourniert. — Gegenwaͤrtiger Verfaſſer ſtattete alle¬
mal dem großen Erd- und Himmelzirkel eine Viſi¬
te vor und eine nach der Viſite ab, die er ei¬
nem kleinern Cercle machte, damit der große die
Eindruͤcke des kleinen verhuͤtete und verloͤſchte.

Ich werde roth, wenn ich mir denke, wie
unbehuͤlflich ſich mein Guſtav durch zwei Vorzim¬
mer in einen Salon mag haben fuͤhren laſſen, wo
wenigſtens ſchon an ſieben Spieltiſchen Streiter ſa¬
ßen. Feinheit der Denkungsart iſt Anlage, Fein¬
heit des Ausdrucks iſt eine Frucht, wozu nicht
gerade Hofgaͤrtner noͤthig ſind; aber Feinheit des
aͤußern Anſtands iſt nirgends zu holen als da, wo
ſie alles gilt — in der großen Welt voll Mikro¬
koſmen
. Sollt' ich von letzterer Feinheit mehr
aufzuweiſen haben als man gewoͤhnlich bei meinem
Advozier-Stand ſucht; ſo bin ich nie ſo eitel, ſie
aus etwas anderem abzuleiten als aus meinem Le¬
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[58/0068] Menſchen nennt, kaum wirbeln ſieht — und die kouleurten Gold-Inſekten, womit das Gewaͤchsreich muſiviſch beſteckt iſt, machen einen gleichguͤltiger gegen die Hof-Inſekten, womit man einen Thron fourniert. — Gegenwaͤrtiger Verfaſſer ſtattete alle¬ mal dem großen Erd- und Himmelzirkel eine Viſi¬ te vor und eine nach der Viſite ab, die er ei¬ nem kleinern Cercle machte, damit der große die Eindruͤcke des kleinen verhuͤtete und verloͤſchte. Ich werde roth, wenn ich mir denke, wie unbehuͤlflich ſich mein Guſtav durch zwei Vorzim¬ mer in einen Salon mag haben fuͤhren laſſen, wo wenigſtens ſchon an ſieben Spieltiſchen Streiter ſa¬ ßen. Feinheit der Denkungsart iſt Anlage, Fein¬ heit des Ausdrucks iſt eine Frucht, wozu nicht gerade Hofgaͤrtner noͤthig ſind; aber Feinheit des aͤußern Anſtands iſt nirgends zu holen als da, wo ſie alles gilt — in der großen Welt voll Mikro¬ koſmen. Sollt' ich von letzterer Feinheit mehr aufzuweiſen haben als man gewoͤhnlich bei meinem Advozier-Stand ſucht; ſo bin ich nie ſo eitel, ſie aus etwas anderem abzuleiten als aus meinem Le¬ ben am Scheerauer Hof. — Die Reſidentin (Bea¬ ta ohnehin nicht) ſpielte ſelten, und mit Recht:

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/68>, abgerufen am 24.11.2024.