Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

deß die von der Haarkräuslerin abgefertigte Verlobte
durch das Hofthürchen schleicht? Und stoßen sie
nicht so meublirt und überpudert auf einander,
daß sie das Herz nicht haben, sich guten Morgen
zu bieten? Denn haben beide in ihrem Leben et¬
was prächtigers und vornehmeres gesehen als sich
einander heute? Ist in dieser verzeihlichen Verle¬
genheit nicht der lange Spahn ein Glück, den der
kleine Bruder zugeschnitzt und den er der Schwester
hinreckt, damit sie darum wie um einen Wein¬
pfahl die Blumen-Staude und Geruchs-Quaste für
des Kantors Knopfloch winde und gürte? Werden
neidsüchtige Damen meine Freunde bleiben, wenn
ich meinen Pinsel eintunke und ihnen damit vorko¬
lorire die Parüre der Braut, das zitternde Gold
statt der Zitternadel im Haar, die drei goldnen
Medaillons auf der Brust mit den Miniatürpor¬
traits der deutschen Kaiser *), und tiefer die in
Knöpfe zergossenen Silberbarren?. . . . ich könnt'
aber den Pinsel fast jemand an den Kopf werfen,
wenn mir beifällt, mein Wuz und seine gute

*) In manchen deutschen Gegenden tragen die Mädchen 2
Dukaten am Halse.

deß die von der Haarkraͤuslerin abgefertigte Verlobte
durch das Hofthuͤrchen ſchleicht? Und ſtoßen ſie
nicht ſo meublirt und uͤberpudert auf einander,
daß ſie das Herz nicht haben, ſich guten Morgen
zu bieten? Denn haben beide in ihrem Leben et¬
was praͤchtigers und vornehmeres geſehen als ſich
einander heute? Iſt in dieſer verzeihlichen Verle¬
genheit nicht der lange Spahn ein Gluͤck, den der
kleine Bruder zugeſchnitzt und den er der Schweſter
hinreckt, damit ſie darum wie um einen Wein¬
pfahl die Blumen-Staude und Geruchs-Quaſte fuͤr
des Kantors Knopfloch winde und guͤrte? Werden
neidſuͤchtige Damen meine Freunde bleiben, wenn
ich meinen Pinſel eintunke und ihnen damit vorko¬
lorire die Paruͤre der Braut, das zitternde Gold
ſtatt der Zitternadel im Haar, die drei goldnen
Medaillons auf der Bruſt mit den Miniatuͤrpor¬
traits der deutſchen Kaiſer *), und tiefer die in
Knoͤpfe zergoſſenen Silberbarren?. . . . ich koͤnnt'
aber den Pinſel faſt jemand an den Kopf werfen,
wenn mir beifaͤllt, mein Wuz und ſeine gute

*) In manchen deutſchen Gegenden tragen die Mädchen 2
Dukaten am Halſe.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0435" n="425"/>
deß die von der Haarkra&#x0364;uslerin abgefertigte Verlobte<lb/>
durch das Hofthu&#x0364;rchen &#x017F;chleicht? Und &#x017F;toßen &#x017F;ie<lb/>
nicht &#x017F;o meublirt und u&#x0364;berpudert auf einander,<lb/>
daß &#x017F;ie das Herz nicht haben, &#x017F;ich guten Morgen<lb/>
zu bieten? Denn haben beide in ihrem Leben et¬<lb/>
was pra&#x0364;chtigers und vornehmeres ge&#x017F;ehen als &#x017F;ich<lb/>
einander heute? I&#x017F;t in die&#x017F;er verzeihlichen Verle¬<lb/>
genheit nicht der lange Spahn ein Glu&#x0364;ck, den der<lb/>
kleine Bruder zuge&#x017F;chnitzt und den er der Schwe&#x017F;ter<lb/>
hinreckt, damit &#x017F;ie darum wie um einen Wein¬<lb/>
pfahl die Blumen-Staude und Geruchs-Qua&#x017F;te fu&#x0364;r<lb/>
des Kantors Knopfloch winde und gu&#x0364;rte? Werden<lb/>
neid&#x017F;u&#x0364;chtige Damen meine Freunde bleiben, wenn<lb/>
ich meinen Pin&#x017F;el eintunke und ihnen damit vorko¬<lb/>
lorire die Paru&#x0364;re der Braut, das zitternde Gold<lb/>
&#x017F;tatt der Zitternadel im Haar, die drei goldnen<lb/>
Medaillons auf der Bru&#x017F;t mit den Miniatu&#x0364;rpor¬<lb/>
traits der deut&#x017F;chen Kai&#x017F;er <note place="foot" n="*)">In manchen deut&#x017F;chen Gegenden tragen die Mädchen 2<lb/>
Dukaten am Hal&#x017F;e.<lb/></note>, und tiefer die in<lb/>
Kno&#x0364;pfe zergo&#x017F;&#x017F;enen Silberbarren?. . . . ich ko&#x0364;nnt'<lb/>
aber den Pin&#x017F;el fa&#x017F;t jemand an den Kopf werfen,<lb/>
wenn mir beifa&#x0364;llt, mein Wuz und &#x017F;eine gute<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[425/0435] deß die von der Haarkraͤuslerin abgefertigte Verlobte durch das Hofthuͤrchen ſchleicht? Und ſtoßen ſie nicht ſo meublirt und uͤberpudert auf einander, daß ſie das Herz nicht haben, ſich guten Morgen zu bieten? Denn haben beide in ihrem Leben et¬ was praͤchtigers und vornehmeres geſehen als ſich einander heute? Iſt in dieſer verzeihlichen Verle¬ genheit nicht der lange Spahn ein Gluͤck, den der kleine Bruder zugeſchnitzt und den er der Schweſter hinreckt, damit ſie darum wie um einen Wein¬ pfahl die Blumen-Staude und Geruchs-Quaſte fuͤr des Kantors Knopfloch winde und guͤrte? Werden neidſuͤchtige Damen meine Freunde bleiben, wenn ich meinen Pinſel eintunke und ihnen damit vorko¬ lorire die Paruͤre der Braut, das zitternde Gold ſtatt der Zitternadel im Haar, die drei goldnen Medaillons auf der Bruſt mit den Miniatuͤrpor¬ traits der deutſchen Kaiſer *), und tiefer die in Knoͤpfe zergoſſenen Silberbarren?. . . . ich koͤnnt' aber den Pinſel faſt jemand an den Kopf werfen, wenn mir beifaͤllt, mein Wuz und ſeine gute *) In manchen deutſchen Gegenden tragen die Mädchen 2 Dukaten am Halſe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/435
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/435>, abgerufen am 22.11.2024.