will. Ich merk' es leicht, daß meine Zuhörer wieder in Sylphiden verflüchtigt werden wollen, um die Braut zu umflattern; aber sie siehts nicht gern.
Endlich lag der himmelblaue Rock -- die Livree¬ farbe der Müller und Schulmeister -- mit geschwärz¬ ten Knopflöchern und die plättende Hand seiner Mut¬ ter, die alle Brüche hob, am Leibe des Schulmeister¬ leins und es darf nur Hut und Gesangbuch nehmen. Und jetzt -- ich weiß gewiß auch, was Pracht ist, fürstliche bei fürstlichen Vermählungen, das Kanoni¬ ren, Illuminiren, Exerciren und Frisiren dabei; aber nur mit der Wuzischen Vermählung muß man dergleichen nie zusammenstellen: sehet doch dem Mann hintennach, der den Sonnen- und Himmels¬ weg zu seiner Braut jetzt geht und auf den andern Weg drüben nach dem Alumneum schauet und denkt "wer hätt' 's vor vier Jahren gedacht;" ich sage, sehet ihm nach: thut es nicht auch die Auenthaler Pfarr¬ magd, ob sie gleich Wasser trägt, und henkt einen solchen prächtigen vollen Anzug bis auf jede Franze in ihrem Gehirn- und Kleiderkammern auf? Hat er nicht eine gepuderte Nasen- und Schuhspitze? Sind nicht die rothen Thorflügel seines Schwiegervaters aufgedreht und schreitet er nicht durch diese ein, in¬
will. Ich merk' es leicht, daß meine Zuhoͤrer wieder in Sylphiden verfluͤchtigt werden wollen, um die Braut zu umflattern; aber ſie ſiehts nicht gern.
Endlich lag der himmelblaue Rock — die Livrée¬ farbe der Muͤller und Schulmeiſter — mit geſchwaͤrz¬ ten Knopfloͤchern und die plaͤttende Hand ſeiner Mut¬ ter, die alle Bruͤche hob, am Leibe des Schulmeiſter¬ leins und es darf nur Hut und Geſangbuch nehmen. Und jetzt — ich weiß gewiß auch, was Pracht iſt, fuͤrſtliche bei fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen, das Kanoni¬ ren, Illuminiren, Exerciren und Friſiren dabei; aber nur mit der Wuziſchen Vermaͤhlung muß man dergleichen nie zuſammenſtellen: ſehet doch dem Mann hintennach, der den Sonnen- und Himmels¬ weg zu ſeiner Braut jetzt geht und auf den andern Weg druͤben nach dem Alumneum ſchauet und denkt „wer haͤtt' 's vor vier Jahren gedacht;” ich ſage, ſehet ihm nach: thut es nicht auch die Auenthaler Pfarr¬ magd, ob ſie gleich Waſſer traͤgt, und henkt einen ſolchen praͤchtigen vollen Anzug bis auf jede Franze in ihrem Gehirn- und Kleiderkammern auf? Hat er nicht eine gepuderte Naſen- und Schuhſpitze? Sind nicht die rothen Thorfluͤgel ſeines Schwiegervaters aufgedreht und ſchreitet er nicht durch dieſe ein, in¬
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will. Ich merk' es leicht, daß meine Zuhoͤrer wieder
in Sylphiden verfluͤchtigt werden wollen, um die
Braut zu umflattern; aber ſie ſiehts nicht gern.
Endlich lag der himmelblaue Rock — die Livrée¬
farbe der Muͤller und Schulmeiſter — mit geſchwaͤrz¬
ten Knopfloͤchern und die plaͤttende Hand ſeiner Mut¬
ter, die alle Bruͤche hob, am Leibe des Schulmeiſter¬
leins und es darf nur Hut und Geſangbuch nehmen.
Und jetzt — ich weiß gewiß auch, was Pracht iſt,
fuͤrſtliche bei fuͤrſtlichen Vermaͤhlungen, das Kanoni¬
ren, Illuminiren, Exerciren und Friſiren dabei;
aber nur mit der Wuziſchen Vermaͤhlung muß man
dergleichen nie zuſammenſtellen: ſehet doch dem
Mann hintennach, der den Sonnen- und Himmels¬
weg zu ſeiner Braut jetzt geht und auf den andern Weg
druͤben nach dem Alumneum ſchauet und denkt „wer
haͤtt' 's vor vier Jahren gedacht;” ich ſage, ſehet
ihm nach: thut es nicht auch die Auenthaler Pfarr¬
magd, ob ſie gleich Waſſer traͤgt, und henkt einen
ſolchen praͤchtigen vollen Anzug bis auf jede Franze
in ihrem Gehirn- und Kleiderkammern auf? Hat er
nicht eine gepuderte Naſen- und Schuhſpitze? Sind
nicht die rothen Thorfluͤgel ſeines Schwiegervaters
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/434>, abgerufen am 22.11.2024.
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