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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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selben. Er habe einmal in Holland eine Kaffee¬
kanne gekannt, deren Nase so matt, deren
Profil so schaal und holländisch gewesen wäre, daß
er zum Schifsarzt, der mit getrunken, gesagt,
in dieser Kanne säße eine eben so schlechte Seele
oder alle Physiognomik sei Wind -- da er ein¬
geschenkt hatte, so war das Gesöf nicht zum trin¬
ken. Er sagte, in seinem Hause werde kein
Milchtopf gekauft, den er nicht vorher wie Pytha¬
goras seine Schüler in physiognomischen Augen¬
schein nehme.

"Wem haben wirs zuzuschreiben, fuhr er in
humoristischen Enthusiasmus fort, daß um unsere
Gesichter und Taillen nicht so viele Schönheitsli¬
nien als um die grichischen beschrieben sind -- als
bloß den verdammten Thee- und Kaffeetöpfen, die
oft kaum menschliche Bildung haben und die doch
unsere Weiber die ganze Woche ansehen und da¬
durch kopieren in ihren Kindern? -- die Griechin¬
nen hingegen wurden von lauter schönen Statüen
bewacht, ja die Sparterinnen hatten die Bild¬
nisse schöner Jünglinge sogar in ihren Schlaf¬
zimmern aufgehangen." -- --

ſelben. Er habe einmal in Holland eine Kaffee¬
kanne gekannt, deren Naſe ſo matt, deren
Profil ſo ſchaal und hollaͤndiſch geweſen waͤre, daß
er zum Schifsarzt, der mit getrunken, geſagt,
in dieſer Kanne ſaͤße eine eben ſo ſchlechte Seele
oder alle Phyſiognomik ſei Wind — da er ein¬
geſchenkt hatte, ſo war das Geſoͤf nicht zum trin¬
ken. Er ſagte, in ſeinem Hauſe werde kein
Milchtopf gekauft, den er nicht vorher wie Pytha¬
goras ſeine Schuͤler in phyſiognomiſchen Augen¬
ſchein nehme.

„Wem haben wirs zuzuſchreiben, fuhr er in
humoriſtiſchen Enthuſiaſmus fort, daß um unſere
Geſichter und Taillen nicht ſo viele Schoͤnheitsli¬
nien als um die grichiſchen beſchrieben ſind — als
bloß den verdammten Thee- und Kaffeetoͤpfen, die
oft kaum menſchliche Bildung haben und die doch
unſere Weiber die ganze Woche anſehen und da¬
durch kopieren in ihren Kindern? — die Griechin¬
nen hingegen wurden von lauter ſchoͤnen Statuͤen
bewacht, ja die Sparterinnen hatten die Bild¬
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zimmern aufgehangen.“ — —

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[309/0319] ſelben. Er habe einmal in Holland eine Kaffee¬ kanne gekannt, deren Naſe ſo matt, deren Profil ſo ſchaal und hollaͤndiſch geweſen waͤre, daß er zum Schifsarzt, der mit getrunken, geſagt, in dieſer Kanne ſaͤße eine eben ſo ſchlechte Seele oder alle Phyſiognomik ſei Wind — da er ein¬ geſchenkt hatte, ſo war das Geſoͤf nicht zum trin¬ ken. Er ſagte, in ſeinem Hauſe werde kein Milchtopf gekauft, den er nicht vorher wie Pytha¬ goras ſeine Schuͤler in phyſiognomiſchen Augen¬ ſchein nehme. „Wem haben wirs zuzuſchreiben, fuhr er in humoriſtiſchen Enthuſiaſmus fort, daß um unſere Geſichter und Taillen nicht ſo viele Schoͤnheitsli¬ nien als um die grichiſchen beſchrieben ſind — als bloß den verdammten Thee- und Kaffeetoͤpfen, die oft kaum menſchliche Bildung haben und die doch unſere Weiber die ganze Woche anſehen und da¬ durch kopieren in ihren Kindern? — die Griechin¬ nen hingegen wurden von lauter ſchoͤnen Statuͤen bewacht, ja die Sparterinnen hatten die Bild¬ niſſe ſchoͤner Juͤnglinge ſogar in ihren Schlaf¬ zimmern aufgehangen.“ — —

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/319>, abgerufen am 25.11.2024.