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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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geln, hielten. Wir hatten nichts darwider, daß
zuweilen eine Blüthe in die Sauciere, oder in das
Eßiggestell ein Blättgen flatterte, oder das ein
Lüftgen das Zuckergestöber aus der Zuckerdose seit¬
wärts wegbließ: dafür lag der gröste plat de me¬
nage, die Natur, um unsern freudigen Tisch
herum und wir waren selber ein Theil des Schau¬
gerichts. Fenk sagte und spielte mit einem herab¬
gezognen Aste: "unser Tisch hätte wenigstens den
Vorzug vor den Tischen in der großen Welt, daß
die Gäste an unserem einander kennten: die Gros¬
sen aber z. B. in Scheerau oder Italien speiseten
mehr Menschen als sie kennen lernten; wie im
Fette des Thieres, das von den Juden so sehr
verabscheuet und nachgeahmet würde, Mäusse leb¬
ten ohne daß das Thier es merkte."

Ein Arzt sei noch so delikat im Ausdruck: er
ists doch nur für Aerzte.

Unter dem Kaffee behauptete mein lieber Pe¬
stilenziar, alle Kannen -- Kaffee- -- Schokolade-
Theekannen -- Krüge etc. hätten eine Physiogno¬
mie, die man viel zu wenig studiere; und wenn
Melanchthon der Missionair und Kabinetsprediger
der Töpfe gewesen, so fehle noch ein Lavater der¬

geln, hielten. Wir hatten nichts darwider, daß
zuweilen eine Bluͤthe in die Sauciére, oder in das
Eßiggeſtell ein Blaͤttgen flatterte, oder das ein
Luͤftgen das Zuckergeſtoͤber aus der Zuckerdoſe ſeit¬
waͤrts wegbließ: dafuͤr lag der groͤſte plat de me¬
nage, die Natur, um unſern freudigen Tiſch
herum und wir waren ſelber ein Theil des Schau¬
gerichts. Fenk ſagte und ſpielte mit einem herab¬
gezognen Aſte: „unſer Tiſch haͤtte wenigſtens den
Vorzug vor den Tiſchen in der großen Welt, daß
die Gaͤſte an unſerem einander kennten: die Groſ¬
ſen aber z. B. in Scheerau oder Italien ſpeiſeten
mehr Menſchen als ſie kennen lernten; wie im
Fette des Thieres, das von den Juden ſo ſehr
verabſcheuet und nachgeahmet wuͤrde, Maͤuſſe leb¬
ten ohne daß das Thier es merkte.“

Ein Arzt ſei noch ſo delikat im Ausdruck: er
iſts doch nur fuͤr Aerzte.

Unter dem Kaffee behauptete mein lieber Pe¬
ſtilenziar, alle Kannen — Kaffee- — Schokolade-
Theekannen — Kruͤge ꝛc. haͤtten eine Phyſiogno¬
mie, die man viel zu wenig ſtudiere; und wenn
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[308/0318] geln, hielten. Wir hatten nichts darwider, daß zuweilen eine Bluͤthe in die Sauciére, oder in das Eßiggeſtell ein Blaͤttgen flatterte, oder das ein Luͤftgen das Zuckergeſtoͤber aus der Zuckerdoſe ſeit¬ waͤrts wegbließ: dafuͤr lag der groͤſte plat de me¬ nage, die Natur, um unſern freudigen Tiſch herum und wir waren ſelber ein Theil des Schau¬ gerichts. Fenk ſagte und ſpielte mit einem herab¬ gezognen Aſte: „unſer Tiſch haͤtte wenigſtens den Vorzug vor den Tiſchen in der großen Welt, daß die Gaͤſte an unſerem einander kennten: die Groſ¬ ſen aber z. B. in Scheerau oder Italien ſpeiſeten mehr Menſchen als ſie kennen lernten; wie im Fette des Thieres, das von den Juden ſo ſehr verabſcheuet und nachgeahmet wuͤrde, Maͤuſſe leb¬ ten ohne daß das Thier es merkte.“ Ein Arzt ſei noch ſo delikat im Ausdruck: er iſts doch nur fuͤr Aerzte. Unter dem Kaffee behauptete mein lieber Pe¬ ſtilenziar, alle Kannen — Kaffee- — Schokolade- Theekannen — Kruͤge ꝛc. haͤtten eine Phyſiogno¬ mie, die man viel zu wenig ſtudiere; und wenn Melanchthon der Miſſionair und Kabinetſprediger der Toͤpfe geweſen, ſo fehle noch ein Lavater der¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/318>, abgerufen am 17.05.2024.