Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

rerern Theaterlogen, die vernünftig eingerichtet und
meubliert waren: man konnte darinnen (weil alles
dazu da war) schlafen, spielen, pissen, essen, fer¬
ner . . . . -- Man hatte seine Freundinnen mit.
Das haben nun die Großen gewohnt: wie will man
ihnen ansinnen, sie sollen in die Kirche fahren und
darin schlafen, da ihnen ihr Geld eher alle Freunde
als den Schlaf verschaft? -- Beim tiers etat, beim
Bauer und Bürger, selber beim Bürgermeister-Kol¬
legium, das sich die ganze Woche matt votiert, ists
kein Wunder sondern freilich leicht dahin zu bringen,
daß sie leicht auf jedem Stuhl, auf jeder Empor
entschlafen: ich läugn' es nicht; aber der Libertin,
der Schläfer auf Eiderdunen wird euch (und predig¬
te ein Konsisterialrath) auf keinem bloßen Sessel
schlafen; er geht daher lieber in keine Kirche. Für
solche Leute von Ton müssen daher ordentliche Kir¬
chenbetten in den Logen aufgeschlagen werden, da¬
mit es geht -- so wie Spieltische, Eßtische, Otto¬
manen, Freundinnen u. dergl. in einer Hofkir¬
che so unentbehrliche Dinge sind, daß sie besser an je¬
dem andern Orte mangeln könnten als da.

Man kann es also, ohne mich und die Wahrheit
zu beleidigen, kein Schmeicheln nennen, wenn ich

2. Theil. U

rerern Theaterlogen, die vernuͤnftig eingerichtet und
meubliert waren: man konnte darinnen (weil alles
dazu da war) ſchlafen, ſpielen, piſſen, eſſen, fer¬
ner . . . . — Man hatte ſeine Freundinnen mit.
Das haben nun die Großen gewohnt: wie will man
ihnen anſinnen, ſie ſollen in die Kirche fahren und
darin ſchlafen, da ihnen ihr Geld eher alle Freunde
als den Schlaf verſchaft? — Beim tiers état, beim
Bauer und Buͤrger, ſelber beim Buͤrgermeiſter-Kol¬
legium, das ſich die ganze Woche matt votiert, iſts
kein Wunder ſondern freilich leicht dahin zu bringen,
daß ſie leicht auf jedem Stuhl, auf jeder Empor
entſchlafen: ich laͤugn' es nicht; aber der Libertin,
der Schlaͤfer auf Eiderdunen wird euch (und predig¬
te ein Konſiſterialrath) auf keinem bloßen Seſſel
ſchlafen; er geht daher lieber in keine Kirche. Fuͤr
ſolche Leute von Ton muͤſſen daher ordentliche Kir¬
chenbetten in den Logen aufgeſchlagen werden, da¬
mit es geht — ſo wie Spieltiſche, Eßtiſche, Otto¬
manen, Freundinnen u. dergl. in einer Hofkir¬
che ſo unentbehrliche Dinge ſind, daß ſie beſſer an je¬
dem andern Orte mangeln koͤnnten als da.

Man kann es alſo, ohne mich und die Wahrheit
zu beleidigen, kein Schmeicheln nennen, wenn ich

2. Theil. U
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0315" n="305"/>
rerern Theaterlogen, die vernu&#x0364;nftig eingerichtet und<lb/>
meubliert waren: man konnte darinnen (weil alles<lb/>
dazu da war) <hi rendition="#g">&#x017F;chlafen</hi>, &#x017F;pielen, pi&#x017F;&#x017F;en, e&#x017F;&#x017F;en, fer¬<lb/>
ner . . . . &#x2014; Man hatte &#x017F;eine Freundinnen mit.<lb/>
Das haben nun die Großen gewohnt: wie will man<lb/>
ihnen an&#x017F;innen, &#x017F;ie &#x017F;ollen in die Kirche fahren und<lb/>
darin &#x017F;chlafen, da ihnen ihr Geld eher alle Freunde<lb/>
als den Schlaf ver&#x017F;chaft? &#x2014; Beim <hi rendition="#aq">tiers état</hi>, beim<lb/>
Bauer und Bu&#x0364;rger, &#x017F;elber beim Bu&#x0364;rgermei&#x017F;ter-Kol¬<lb/>
legium, das &#x017F;ich die ganze Woche matt votiert, i&#x017F;ts<lb/>
kein Wunder &#x017F;ondern freilich leicht dahin zu bringen,<lb/>
daß &#x017F;ie leicht auf jedem Stuhl, auf jeder Empor<lb/>
ent&#x017F;chlafen: ich la&#x0364;ugn' es nicht; aber der Libertin,<lb/>
der Schla&#x0364;fer auf Eiderdunen wird euch (und predig¬<lb/>
te ein Kon&#x017F;i&#x017F;terialrath) auf keinem bloßen Se&#x017F;&#x017F;el<lb/>
&#x017F;chlafen; er geht daher lieber in keine Kirche. Fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;olche Leute von Ton mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en daher ordentliche Kir¬<lb/>
chenbetten in den Logen aufge&#x017F;chlagen werden, da¬<lb/>
mit es geht &#x2014; &#x017F;o wie Spielti&#x017F;che, Eßti&#x017F;che, Otto¬<lb/>
manen, <hi rendition="#g">Freundinnen</hi> u. dergl. in einer Hofkir¬<lb/>
che &#x017F;o unentbehrliche Dinge &#x017F;ind, daß &#x017F;ie be&#x017F;&#x017F;er an je¬<lb/>
dem andern Orte mangeln ko&#x0364;nnten als da.</p><lb/>
            <p>Man kann es al&#x017F;o, ohne mich und die Wahrheit<lb/>
zu beleidigen, kein Schmeicheln nennen, wenn ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">2. Theil. U<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0315] rerern Theaterlogen, die vernuͤnftig eingerichtet und meubliert waren: man konnte darinnen (weil alles dazu da war) ſchlafen, ſpielen, piſſen, eſſen, fer¬ ner . . . . — Man hatte ſeine Freundinnen mit. Das haben nun die Großen gewohnt: wie will man ihnen anſinnen, ſie ſollen in die Kirche fahren und darin ſchlafen, da ihnen ihr Geld eher alle Freunde als den Schlaf verſchaft? — Beim tiers état, beim Bauer und Buͤrger, ſelber beim Buͤrgermeiſter-Kol¬ legium, das ſich die ganze Woche matt votiert, iſts kein Wunder ſondern freilich leicht dahin zu bringen, daß ſie leicht auf jedem Stuhl, auf jeder Empor entſchlafen: ich laͤugn' es nicht; aber der Libertin, der Schlaͤfer auf Eiderdunen wird euch (und predig¬ te ein Konſiſterialrath) auf keinem bloßen Seſſel ſchlafen; er geht daher lieber in keine Kirche. Fuͤr ſolche Leute von Ton muͤſſen daher ordentliche Kir¬ chenbetten in den Logen aufgeſchlagen werden, da¬ mit es geht — ſo wie Spieltiſche, Eßtiſche, Otto¬ manen, Freundinnen u. dergl. in einer Hofkir¬ che ſo unentbehrliche Dinge ſind, daß ſie beſſer an je¬ dem andern Orte mangeln koͤnnten als da. Man kann es alſo, ohne mich und die Wahrheit zu beleidigen, kein Schmeicheln nennen, wenn ich 2. Theil. U

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/315
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/315>, abgerufen am 17.05.2024.