Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.Abendmahl. Ich wollte mich und meine Ohren Ich wollte mir wie ein Stoiker auf dieser neuen Abendmahl. Ich wollte mich und meine Ohren Ich wollte mir wie ein Stoiker auf dieſer neuen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0274" n="264"/> Abendmahl. Ich wollte mich und meine Ohren<lb/> uͤberwinden; aber da mich theils der innere Krieg,<lb/> theils meine horchende Aufmerkſamkeit auf ſeine<lb/> trommelnden Finger, die ich nur mit der groͤßten<lb/> Muͤhe vernehmen konnte, gaͤnzlich von meiner gu¬<lb/> ten Baſe wegzogen, die gewiß eine Frau und<lb/> Thuͤrmerin war wie wenige: ſo hatt' ichs ſatt und<lb/> fieng nach ſeiner orgelnden Quaal-Hand, legte ſie<lb/> in Arreſt und brach aus: „o mein lieber H. Vet¬<lb/> ter Fedderlein!“ Er muthmaßte, ich waͤre geruͤhrt;<lb/> und wurd' es ſelber immer mehr, vergaß ſich und<lb/> ſchnipſete mit den linken noch arreſtfreien Fingern<lb/> an den Tiſch.</p><lb/> <p>Ich wollte mir wie ein Stoiker auf dieſer neuen<lb/> Ungluͤcks-Station von innen heraus, helfen und<lb/> ſtellte mir waͤhrend des aͤuſſern Schnipſens hinter<lb/> mir, meine gute Baſe <choice><sic>nnd</sic><corr>und</corr></choice> ihr Todtenlager vor:<lb/> „und ſo (ſagt' ich beredt zu mir ſelber) liegſt du<lb/> arme Abgebluͤhte denn drunten und biſt ſteif und<lb/> unbeweglich und ſo zu ſagen todt! —“ Er ſchnip¬<lb/> ſete jetzt ganz toll. — Ich konnte mir nicht helfen,<lb/> ſondern ich zog auch die linke Hand des Hiſtorikers<lb/> gefaͤnglich ein und druͤckte ſie halb aus Ruͤhrung.<lb/> „<hi rendition="#g">Sie</hi> koͤnnen beide denken, (ſagt' er) wie mir erſt<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [264/0274]
Abendmahl. Ich wollte mich und meine Ohren
uͤberwinden; aber da mich theils der innere Krieg,
theils meine horchende Aufmerkſamkeit auf ſeine
trommelnden Finger, die ich nur mit der groͤßten
Muͤhe vernehmen konnte, gaͤnzlich von meiner gu¬
ten Baſe wegzogen, die gewiß eine Frau und
Thuͤrmerin war wie wenige: ſo hatt' ichs ſatt und
fieng nach ſeiner orgelnden Quaal-Hand, legte ſie
in Arreſt und brach aus: „o mein lieber H. Vet¬
ter Fedderlein!“ Er muthmaßte, ich waͤre geruͤhrt;
und wurd' es ſelber immer mehr, vergaß ſich und
ſchnipſete mit den linken noch arreſtfreien Fingern
an den Tiſch.
Ich wollte mir wie ein Stoiker auf dieſer neuen
Ungluͤcks-Station von innen heraus, helfen und
ſtellte mir waͤhrend des aͤuſſern Schnipſens hinter
mir, meine gute Baſe und ihr Todtenlager vor:
„und ſo (ſagt' ich beredt zu mir ſelber) liegſt du
arme Abgebluͤhte denn drunten und biſt ſteif und
unbeweglich und ſo zu ſagen todt! —“ Er ſchnip¬
ſete jetzt ganz toll. — Ich konnte mir nicht helfen,
ſondern ich zog auch die linke Hand des Hiſtorikers
gefaͤnglich ein und druͤckte ſie halb aus Ruͤhrung.
„Sie koͤnnen beide denken, (ſagt' er) wie mir erſt
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