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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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mel dieser Erde drängen kann. -- -- Und jetzt kam
der überirdische durch tausend Himmel auf die Erde
fallende Augenblick hier unten an, der Augenblick,
wo das menschliche Herz sich zur höchsten Liebe er¬
hebt und für zwei Seelen und zwei Welten schlägt, --
er vereinigte auf ewig die Lippen, auf denen alle Er¬
denworte erloschen, die Herzen, die mit der schwe¬
ren Wonne kämpften, die verwandten Seelen, die
wie zwei hohe Flammen in einander schlugen . . . .

-- Begehrt kein Landschaftsstück der blühen¬
den Welten von mir über die sie in jenem Augen¬
blicke hinzogen, den kaum die Empfindung, ge¬
schweige die Sprache fasset. Ich könnte eben so
gut eine Silhouette von der Sonne geben. -- Nach
dem Augenblicke suchte Beata, deren Körper schon
unter einer großen Thräne wie ein Blümchen un¬
ter einem Gewittertropfen umsank, sich aufs Grab
zu setzen; sie bog ihn sanft mit der einen Hand
von sich, indem sie ihm die andre ließ. Hier
schloß er seine weite Seele auf und sagte ihr alles,
seine Geschichte und seinen Traum und seine Käm¬
pfe. Nie war ein Mensch aufrichtiger in der Stun¬
de seines Glücks als er; nie war die Liebe blöder
nach der Minute der Umarmung als hier. Bei

Bea¬

mel dieſer Erde draͤngen kann. — — Und jetzt kam
der uͤberirdiſche durch tauſend Himmel auf die Erde
fallende Augenblick hier unten an, der Augenblick,
wo das menſchliche Herz ſich zur hoͤchſten Liebe er¬
hebt und fuͤr zwei Seelen und zwei Welten ſchlaͤgt, —
er vereinigte auf ewig die Lippen, auf denen alle Er¬
denworte erloſchen, die Herzen, die mit der ſchwe¬
ren Wonne kaͤmpften, die verwandten Seelen, die
wie zwei hohe Flammen in einander ſchlugen . . . .

— Begehrt kein Landſchaftsſtuͤck der bluͤhen¬
den Welten von mir uͤber die ſie in jenem Augen¬
blicke hinzogen, den kaum die Empfindung, ge¬
ſchweige die Sprache faſſet. Ich koͤnnte eben ſo
gut eine Silhouette von der Sonne geben. — Nach
dem Augenblicke ſuchte Beata, deren Koͤrper ſchon
unter einer großen Thraͤne wie ein Bluͤmchen un¬
ter einem Gewittertropfen umſank, ſich aufs Grab
zu ſetzen; ſie bog ihn ſanft mit der einen Hand
von ſich, indem ſie ihm die andre ließ. Hier
ſchloß er ſeine weite Seele auf und ſagte ihr alles,
ſeine Geſchichte und ſeinen Traum und ſeine Kaͤm¬
pfe. Nie war ein Menſch aufrichtiger in der Stun¬
de ſeines Gluͤcks als er; nie war die Liebe bloͤder
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[128/0138] mel dieſer Erde draͤngen kann. — — Und jetzt kam der uͤberirdiſche durch tauſend Himmel auf die Erde fallende Augenblick hier unten an, der Augenblick, wo das menſchliche Herz ſich zur hoͤchſten Liebe er¬ hebt und fuͤr zwei Seelen und zwei Welten ſchlaͤgt, — er vereinigte auf ewig die Lippen, auf denen alle Er¬ denworte erloſchen, die Herzen, die mit der ſchwe¬ ren Wonne kaͤmpften, die verwandten Seelen, die wie zwei hohe Flammen in einander ſchlugen . . . . — Begehrt kein Landſchaftsſtuͤck der bluͤhen¬ den Welten von mir uͤber die ſie in jenem Augen¬ blicke hinzogen, den kaum die Empfindung, ge¬ ſchweige die Sprache faſſet. Ich koͤnnte eben ſo gut eine Silhouette von der Sonne geben. — Nach dem Augenblicke ſuchte Beata, deren Koͤrper ſchon unter einer großen Thraͤne wie ein Bluͤmchen un¬ ter einem Gewittertropfen umſank, ſich aufs Grab zu ſetzen; ſie bog ihn ſanft mit der einen Hand von ſich, indem ſie ihm die andre ließ. Hier ſchloß er ſeine weite Seele auf und ſagte ihr alles, ſeine Geſchichte und ſeinen Traum und ſeine Kaͤm¬ pfe. Nie war ein Menſch aufrichtiger in der Stun¬ de ſeines Gluͤcks als er; nie war die Liebe bloͤder nach der Minute der Umarmung als hier. Bei Bea¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/138>, abgerufen am 02.05.2024.