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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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entschlummerten Kinder in die größere Ruhestätte
legt. Sonntags floh Gustav aus dem Schlosse, wo
die lärmenden Staatswägen und Bedienten gleich¬
sam über sein Herz giengen, mit eingehüllten Sin¬
nen hinaus. Es fühlte heute zum erstenmale, daß
er auf der Erde nicht einheimisch sei, das Sonnen¬
licht schien ihm das in unsere Nacht gewebte Däm¬
mer-Licht eines größern Monds zu seyn. Ob er
gleich jetzt seinem weggerückten Freunde sich auf
dieser Erde weder nähern noch entziehen konnte:
so sagte sein Schmerz doch, wenn er auch nicht
den Leichnam, nicht den Sarg, sondern nur das
Grabes-Beet umfaßte, das auf diesen Saamen
einer schönern Erde drückte, so würd' ihm wohl
seyn; und er stellte sich daher auf einen entfern¬
ten Hügel, um zu sehen ob noch Leute auf dem
Eremitenberge wären.

Sein Auge begegnete gerade dem größten Jam¬
mer, den es an diesem Abend für ihn hienieden
gab: der durch den Abend hindurch blinkende weis¬
se Sarg wurde herausgehoben -- eine entzweifal¬
lende Rose, eine durchlöcherte Puppe, ein sich aus¬
spannender Schmetterling, der jene als Würm¬
chen zernagt hatte, waren auf die Sargpuppe ge¬

entſchlummerten Kinder in die groͤßere Ruheſtaͤtte
legt. Sonntags floh Guſtav aus dem Schloſſe, wo
die laͤrmenden Staatswaͤgen und Bedienten gleich¬
ſam uͤber ſein Herz giengen, mit eingehuͤllten Sin¬
nen hinaus. Es fuͤhlte heute zum erſtenmale, daß
er auf der Erde nicht einheimiſch ſei, das Sonnen¬
licht ſchien ihm das in unſere Nacht gewebte Daͤm¬
mer-Licht eines groͤßern Monds zu ſeyn. Ob er
gleich jetzt ſeinem weggeruͤckten Freunde ſich auf
dieſer Erde weder naͤhern noch entziehen konnte:
ſo ſagte ſein Schmerz doch, wenn er auch nicht
den Leichnam, nicht den Sarg, ſondern nur das
Grabes-Beet umfaßte, das auf dieſen Saamen
einer ſchoͤnern Erde druͤckte, ſo wuͤrd' ihm wohl
ſeyn; und er ſtellte ſich daher auf einen entfern¬
ten Huͤgel, um zu ſehen ob noch Leute auf dem
Eremitenberge waͤren.

Sein Auge begegnete gerade dem groͤßten Jam¬
mer, den es an dieſem Abend fuͤr ihn hienieden
gab: der durch den Abend hindurch blinkende weiſ¬
ſe Sarg wurde herausgehoben — eine entzweifal¬
lende Roſe, eine durchloͤcherte Puppe, ein ſich aus¬
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[100/0110] entſchlummerten Kinder in die groͤßere Ruheſtaͤtte legt. Sonntags floh Guſtav aus dem Schloſſe, wo die laͤrmenden Staatswaͤgen und Bedienten gleich¬ ſam uͤber ſein Herz giengen, mit eingehuͤllten Sin¬ nen hinaus. Es fuͤhlte heute zum erſtenmale, daß er auf der Erde nicht einheimiſch ſei, das Sonnen¬ licht ſchien ihm das in unſere Nacht gewebte Daͤm¬ mer-Licht eines groͤßern Monds zu ſeyn. Ob er gleich jetzt ſeinem weggeruͤckten Freunde ſich auf dieſer Erde weder naͤhern noch entziehen konnte: ſo ſagte ſein Schmerz doch, wenn er auch nicht den Leichnam, nicht den Sarg, ſondern nur das Grabes-Beet umfaßte, das auf dieſen Saamen einer ſchoͤnern Erde druͤckte, ſo wuͤrd' ihm wohl ſeyn; und er ſtellte ſich daher auf einen entfern¬ ten Huͤgel, um zu ſehen ob noch Leute auf dem Eremitenberge waͤren. Sein Auge begegnete gerade dem groͤßten Jam¬ mer, den es an dieſem Abend fuͤr ihn hienieden gab: der durch den Abend hindurch blinkende weiſ¬ ſe Sarg wurde herausgehoben — eine entzweifal¬ lende Roſe, eine durchloͤcherte Puppe, ein ſich aus¬ ſpannender Schmetterling, der jene als Wuͤrm¬ chen zernagt hatte, waren auf die Sargpuppe ge¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/110>, abgerufen am 22.11.2024.