Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.Ich bin jetzt nicht im Stande, von den Fol¬ Der Fieberschlummer währte fort bis nach Ich bin jetzt nicht im Stande, von den Fol¬ Der Fieberſchlummer waͤhrte fort bis nach <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0104" n="94"/> <p>Ich bin jetzt nicht im Stande, von den Fol¬<lb/> gen der letztern und von jemand anders zu reden<lb/> als vom Sterbenden. Seine zuruͤckgeſpannten Ner¬<lb/> ven bebten in einem entkraͤftenden Schlummer fort.<lb/> Die erſchoͤpfte, betaͤubte Beata gieng mit ihrer<lb/> Mutter ab. Guſtav ſah nichts mehr, kaum jene.<lb/> Der Vater hatte keinen Troſt und keinen Troͤſter.</p><lb/> <p>Der Fieberſchlummer waͤhrte fort bis nach<lb/> Mitternacht. Eine totale Mondfinſterniß hob den<lb/> Himmel und zog das erſchrockne Auge des Men¬<lb/> ſchen empor. Guſtav ſah bewegt und melancholiſch<lb/> zu dem koloſſaliſchen Erdſchatten hinauf, der am<lb/> Monde wie an einem Silhouettenbrette lag. Er<lb/> verließ die Erde, ſie wurd' ihm ſelber ein Schat¬<lb/> ten: „ach! dacht' er, in dieſer hohen fliegenden<lb/> Schatten-Pyramide werden jetzt tauſend rothe Au¬<lb/> gen, wunde Haͤnde und troſtloſe Herzen ſtehen<lb/> und werden eingraben, damit der Todte noch fin¬<lb/> ſtrer liege als der Lebendige. — Aber ruͤckt denn<lb/> nicht dieſer Schatten-Polyphem (mit dem Einem<lb/> Mondsauge) taͤglich um dieſe Erde herum und wir<lb/> bemerken ihn nur dann, wenn er ſich auf unſerem<lb/> Mond anlegt . . . . Und ſo denken wir, der Tod<lb/> komme nicht eher auf die Erde, als bis er <hi rendition="#g">un¬<lb/></hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0104]
Ich bin jetzt nicht im Stande, von den Fol¬
gen der letztern und von jemand anders zu reden
als vom Sterbenden. Seine zuruͤckgeſpannten Ner¬
ven bebten in einem entkraͤftenden Schlummer fort.
Die erſchoͤpfte, betaͤubte Beata gieng mit ihrer
Mutter ab. Guſtav ſah nichts mehr, kaum jene.
Der Vater hatte keinen Troſt und keinen Troͤſter.
Der Fieberſchlummer waͤhrte fort bis nach
Mitternacht. Eine totale Mondfinſterniß hob den
Himmel und zog das erſchrockne Auge des Men¬
ſchen empor. Guſtav ſah bewegt und melancholiſch
zu dem koloſſaliſchen Erdſchatten hinauf, der am
Monde wie an einem Silhouettenbrette lag. Er
verließ die Erde, ſie wurd' ihm ſelber ein Schat¬
ten: „ach! dacht' er, in dieſer hohen fliegenden
Schatten-Pyramide werden jetzt tauſend rothe Au¬
gen, wunde Haͤnde und troſtloſe Herzen ſtehen
und werden eingraben, damit der Todte noch fin¬
ſtrer liege als der Lebendige. — Aber ruͤckt denn
nicht dieſer Schatten-Polyphem (mit dem Einem
Mondsauge) taͤglich um dieſe Erde herum und wir
bemerken ihn nur dann, wenn er ſich auf unſerem
Mond anlegt . . . . Und ſo denken wir, der Tod
komme nicht eher auf die Erde, als bis er un¬
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/104>, abgerufen am 16.02.2025. |