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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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dingen als sich selbst, wie die Töchter schlimmer
Mütter zeigen. Der Genius glaubte übrigens,
beim ersten Sakramente (der Taufe) gienge die Bil¬
dung des Herzens an, beim zweiten (Abendmahl)
die des Kopfes.

Von guten Menschen hören ist so viel als un¬
ter ihnen leben und Plutarchs Biographien wirken
tiefer als die besten Kompendien der Moralphiloso¬
phie zum Gebrauche -- akademischer Lehrer. Für
Kinder vollends giebts keine andere Moral als
Beispiel, erzähltes oder sichtbares; und es ist pä¬
dagogische Narrheit, durch Gründe Kindern nicht
diese Gründe sondern den Willen und die Kraft zu
geben meinen, diesen Gründen zu folgen. O tau¬
sendmal glücklicher als ich neben meinem Terzius
und Konrektor, lagst du auf dem Schooße, an den
Armen und unter den Lippen deines theuern Ge¬
nius, wie eine trinkende Alpenblume an der rin¬
nenden Wolke, und sogest Dein Herz an den Er¬
zählungen von guten Menschen groß, die der Ge¬
nius sämmtlich Gustave und Seelige nennten
von denen wir bald sehen sollen, warum sie mit
Schwabacher gedruckt sind! Da er gut zeichnete;
so gab' er ihm, wie Chodowiecky dem Romanen¬

dingen als ſich ſelbſt, wie die Toͤchter ſchlimmer
Muͤtter zeigen. Der Genius glaubte uͤbrigens,
beim erſten Sakramente (der Taufe) gienge die Bil¬
dung des Herzens an, beim zweiten (Abendmahl)
die des Kopfes.

Von guten Menſchen hoͤren iſt ſo viel als un¬
ter ihnen leben und Plutarchs Biographien wirken
tiefer als die beſten Kompendien der Moralphiloſo¬
phie zum Gebrauche — akademiſcher Lehrer. Fuͤr
Kinder vollends giebts keine andere Moral als
Beiſpiel, erzaͤhltes oder ſichtbares; und es iſt paͤ¬
dagogiſche Narrheit, durch Gruͤnde Kindern nicht
dieſe Gruͤnde ſondern den Willen und die Kraft zu
geben meinen, dieſen Gruͤnden zu folgen. O tau¬
ſendmal gluͤcklicher als ich neben meinem Terzius
und Konrektor, lagſt du auf dem Schooße, an den
Armen und unter den Lippen deines theuern Ge¬
nius, wie eine trinkende Alpenblume an der rin¬
nenden Wolke, und ſogeſt Dein Herz an den Er¬
zaͤhlungen von guten Menſchen groß, die der Ge¬
nius ſaͤmmtlich Guſtave und Seelige nennten
von denen wir bald ſehen ſollen, warum ſie mit
Schwabacher gedruckt ſind! Da er gut zeichnete;
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[44/0080] dingen als ſich ſelbſt, wie die Toͤchter ſchlimmer Muͤtter zeigen. Der Genius glaubte uͤbrigens, beim erſten Sakramente (der Taufe) gienge die Bil¬ dung des Herzens an, beim zweiten (Abendmahl) die des Kopfes. Von guten Menſchen hoͤren iſt ſo viel als un¬ ter ihnen leben und Plutarchs Biographien wirken tiefer als die beſten Kompendien der Moralphiloſo¬ phie zum Gebrauche — akademiſcher Lehrer. Fuͤr Kinder vollends giebts keine andere Moral als Beiſpiel, erzaͤhltes oder ſichtbares; und es iſt paͤ¬ dagogiſche Narrheit, durch Gruͤnde Kindern nicht dieſe Gruͤnde ſondern den Willen und die Kraft zu geben meinen, dieſen Gruͤnden zu folgen. O tau¬ ſendmal gluͤcklicher als ich neben meinem Terzius und Konrektor, lagſt du auf dem Schooße, an den Armen und unter den Lippen deines theuern Ge¬ nius, wie eine trinkende Alpenblume an der rin¬ nenden Wolke, und ſogeſt Dein Herz an den Er¬ zaͤhlungen von guten Menſchen groß, die der Ge¬ nius ſaͤmmtlich Guſtave und Seelige nennten von denen wir bald ſehen ſollen, warum ſie mit Schwabacher gedruckt ſind! Da er gut zeichnete; ſo gab' er ihm, wie Chodowiecky dem Romanen¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/80>, abgerufen am 01.05.2024.