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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Der Genius zog darauf mit meinem Gustav
unter eine alte ausgemauerte Höhlung im Schlo߬
garten, von der es der Rittmeister bedauerte, daß
er sie nicht längst verschütten lassen. Eine Keller¬
treppe führte links in den Felsenkeller, und rechts
in diese Wölbung, wo eine Karthause mit drei Kam¬
mern stand, die man wegen einer alten Sage die
Dreibrüder-Karthause nennte: auf ihrem Fußboden
lagen drei steinerne Mönche, die die ausgehauenen
Hände ewig über einander legten; und vielleicht
schliefen unter den Kopien die stummen Originale
selber mit ihren untergegangne Seufzern über die
vergehende Welt. Hier waltete bloß der schöne Ge¬
nius über den Kleinen, und bog jeden knospenden
Zweig desselben zur hohen Menschengestalt empor.

Elende Umständlichkeit z. B. über die Lieferan¬
ten der Wäsche etc. werden mir Frauenzimmer am
liebsten erlassen; aber sie werden begieriger seyn,
wie der Genius erzog. Recht gut, sag' ich er
befahl nicht, sondern gewöhnte und erzählte
blos. er wiedersprach weder sich noch dem
Kinde, ja er hatte das gröste Arkanum ihn gut zu
machen -- er wars selbst. Ohne dieses Arkanum könn¬
te man eben so gut den Teufel zum Informator

Der Genius zog darauf mit meinem Guſtav
unter eine alte ausgemauerte Hoͤhlung im Schlo߬
garten, von der es der Rittmeiſter bedauerte, daß
er ſie nicht laͤngſt verſchuͤtten laſſen. Eine Keller¬
treppe fuͤhrte links in den Felſenkeller, und rechts
in dieſe Woͤlbung, wo eine Karthauſe mit drei Kam¬
mern ſtand, die man wegen einer alten Sage die
Dreibruͤder-Karthauſe nennte: auf ihrem Fußboden
lagen drei ſteinerne Moͤnche, die die ausgehauenen
Haͤnde ewig uͤber einander legten; und vielleicht
ſchliefen unter den Kopien die ſtummen Originale
ſelber mit ihren untergegangne Seufzern uͤber die
vergehende Welt. Hier waltete bloß der ſchoͤne Ge¬
nius uͤber den Kleinen, und bog jeden knoſpenden
Zweig deſſelben zur hohen Menſchengeſtalt empor.

Elende Umſtaͤndlichkeit z. B. uͤber die Lieferan¬
ten der Waͤſche ꝛc. werden mir Frauenzimmer am
liebſten erlaſſen; aber ſie werden begieriger ſeyn,
wie der Genius erzog. Recht gut, ſag' ich er
befahl nicht, ſondern gewoͤhnte und erzaͤhlte
blos. er wiederſprach weder ſich noch dem
Kinde, ja er hatte das groͤſte Arkanum ihn gut zu
machen — er wars ſelbſt. Ohne dieſes Arkanum koͤnn¬
te man eben ſo gut den Teufel zum Informator

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[43/0079] Der Genius zog darauf mit meinem Guſtav unter eine alte ausgemauerte Hoͤhlung im Schlo߬ garten, von der es der Rittmeiſter bedauerte, daß er ſie nicht laͤngſt verſchuͤtten laſſen. Eine Keller¬ treppe fuͤhrte links in den Felſenkeller, und rechts in dieſe Woͤlbung, wo eine Karthauſe mit drei Kam¬ mern ſtand, die man wegen einer alten Sage die Dreibruͤder-Karthauſe nennte: auf ihrem Fußboden lagen drei ſteinerne Moͤnche, die die ausgehauenen Haͤnde ewig uͤber einander legten; und vielleicht ſchliefen unter den Kopien die ſtummen Originale ſelber mit ihren untergegangne Seufzern uͤber die vergehende Welt. Hier waltete bloß der ſchoͤne Ge¬ nius uͤber den Kleinen, und bog jeden knoſpenden Zweig deſſelben zur hohen Menſchengeſtalt empor. Elende Umſtaͤndlichkeit z. B. uͤber die Lieferan¬ ten der Waͤſche ꝛc. werden mir Frauenzimmer am liebſten erlaſſen; aber ſie werden begieriger ſeyn, wie der Genius erzog. Recht gut, ſag' ich er befahl nicht, ſondern gewoͤhnte und erzaͤhlte blos. er wiederſprach weder ſich noch dem Kinde, ja er hatte das groͤſte Arkanum ihn gut zu machen — er wars ſelbſt. Ohne dieſes Arkanum koͤnn¬ te man eben ſo gut den Teufel zum Informator

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/79>, abgerufen am 21.11.2024.