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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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meines Vaters Sekundenuhr, die neben dem Schach¬
brett lag, schon viel über halb zwölf -- er hatte
nur 3 Offiziere und ich noch alle meine -- ohn'
ein Wunderwerk war er in 18 Minuten matt --
eine fliegende Röthe spannte einmal ums andre
sein ganzes Gesicht -- wir wurden zuletzt ordent¬
lich beklemmt und selbst der Doktor sagte kein lu¬
stiges Wort mehr -- blos mein weißes Miezgen
marschierte schnurrend auf dem Spieltisch herum --
kein Mensch denkt natürlicher Weise auf die Katze
und er bietet mir im Spiele das erste Schach --
nun mocht' er (oder war ichs, denn ich schlage zu¬
weilen auch solche Pralltriller auf dem Tische) mit
den Fingern einen auf der Bande machen -- wie
der Blitz fährt die Bestie, die es für eine Maus
halten muß, darauf hin und schmeißet uns das
ganze Spiel um und da sitzen wir! Stellen Sie
sich vor! Ich halb froh, daß ihm diese Mittels¬
person die Beschämung des förmlichen Korbes ab¬
nimmt -- Er mit einem Gesicht voll Trostlosigkeit
und Zorn -- mein Vater mit einem voll Verlegen¬
heit und Zorn -- und der Doktor, der in der Stu¬
be mit den 10 Fingern herumschnalzet und schwört:
"der Rittmeister hätt' es gewonnen, so gewiß wie

meines Vaters Sekundenuhr, die neben dem Schach¬
brett lag, ſchon viel uͤber halb zwoͤlf — er hatte
nur 3 Offiziere und ich noch alle meine — ohn'
ein Wunderwerk war er in 18 Minuten matt —
eine fliegende Roͤthe ſpannte einmal ums andre
ſein ganzes Geſicht — wir wurden zuletzt ordent¬
lich beklemmt und ſelbſt der Doktor ſagte kein lu¬
ſtiges Wort mehr — blos mein weißes Miezgen
marſchierte ſchnurrend auf dem Spieltiſch herum —
kein Menſch denkt natuͤrlicher Weiſe auf die Katze
und er bietet mir im Spiele das erſte Schach —
nun mocht' er (oder war ichs, denn ich ſchlage zu¬
weilen auch ſolche Pralltriller auf dem Tiſche) mit
den Fingern einen auf der Bande machen — wie
der Blitz faͤhrt die Beſtie, die es fuͤr eine Maus
halten muß, darauf hin und ſchmeißet uns das
ganze Spiel um und da ſitzen wir! Stellen Sie
ſich vor! Ich halb froh, daß ihm dieſe Mittels¬
perſon die Beſchaͤmung des foͤrmlichen Korbes ab¬
nimmt — Er mit einem Geſicht voll Troſtloſigkeit
und Zorn — mein Vater mit einem voll Verlegen¬
heit und Zorn — und der Doktor, der in der Stu¬
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[20/0056] meines Vaters Sekundenuhr, die neben dem Schach¬ brett lag, ſchon viel uͤber halb zwoͤlf — er hatte nur 3 Offiziere und ich noch alle meine — ohn' ein Wunderwerk war er in 18 Minuten matt — eine fliegende Roͤthe ſpannte einmal ums andre ſein ganzes Geſicht — wir wurden zuletzt ordent¬ lich beklemmt und ſelbſt der Doktor ſagte kein lu¬ ſtiges Wort mehr — blos mein weißes Miezgen marſchierte ſchnurrend auf dem Spieltiſch herum — kein Menſch denkt natuͤrlicher Weiſe auf die Katze und er bietet mir im Spiele das erſte Schach — nun mocht' er (oder war ichs, denn ich ſchlage zu¬ weilen auch ſolche Pralltriller auf dem Tiſche) mit den Fingern einen auf der Bande machen — wie der Blitz faͤhrt die Beſtie, die es fuͤr eine Maus halten muß, darauf hin und ſchmeißet uns das ganze Spiel um und da ſitzen wir! Stellen Sie ſich vor! Ich halb froh, daß ihm dieſe Mittels¬ perſon die Beſchaͤmung des foͤrmlichen Korbes ab¬ nimmt — Er mit einem Geſicht voll Troſtloſigkeit und Zorn — mein Vater mit einem voll Verlegen¬ heit und Zorn — und der Doktor, der in der Stu¬ be mit den 10 Fingern herumſchnalzet und ſchwoͤrt: ”der Rittmeiſter haͤtt' es gewonnen, ſo gewiß wie

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/56>, abgerufen am 21.11.2024.