eben so lieb: denn er redete aus Humor in nichts lieber als in den Wind. Ernestine schreibt in ih¬ rem Briefe fort:
"Morgen gehen gottlob meine Karwochen zu Ende und es ist ein Glück für den Rittmeister, der alle Tage empfindlicher wird, daß nur der Doktor da ist, der über jede gezogne Figur einen Einfall weiß." Sein Witz, sagt er, beweise, daß er jäm¬ merlich spiele, weil gute Spieler über und unter ihrem Spielen niemals ein Bonmot hätten.
Den 20. Jun. um 3 Uhr. Heute Abends um 12 Uhr werd' ich endlich vom Schach-Fußblocke loßgeschlossen. Er will an der Definitiv-Partie -- nennt's Fenk -- den ganzen Tag spielen, er lässet aber, weil er aus seinen Tags-Kampagnen den Ab¬ lauf der nächtlichen erräth, zu Nachts den Kut¬ scher mit dem Wagen halten, um sogleich wie ein Leichnam traurig abzufahren. Er sollte mir nur nicht zumuthen, so schlecht zu spielen wie er. Er ist aber in allem so hastig und hält vor allen Vor¬ stellungen die Ohren zu.
Um12Uhr Nachts. Ich bin außer mir. Wer hätt' es von meinem Vater geglaubt? Mein Spiel konnte kaum besser stehen -- es war auf
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eben ſo lieb: denn er redete aus Humor in nichts lieber als in den Wind. Erneſtine ſchreibt in ih¬ rem Briefe fort:
„Morgen gehen gottlob meine Karwochen zu Ende und es iſt ein Gluͤck fuͤr den Rittmeiſter, der alle Tage empfindlicher wird, daß nur der Doktor da iſt, der uͤber jede gezogne Figur einen Einfall weiß.“ Sein Witz, ſagt er, beweiſe, daß er jaͤm¬ merlich ſpiele, weil gute Spieler uͤber und unter ihrem Spielen niemals ein Bonmot haͤtten.
Den 20. Jun. um 3 Uhr. Heute Abends um 12 Uhr werd' ich endlich vom Schach-Fußblocke loßgeſchloſſen. Er will an der Definitiv-Partie — nennt's Fenk — den ganzen Tag ſpielen, er laͤſſet aber, weil er aus ſeinen Tags-Kampagnen den Ab¬ lauf der naͤchtlichen erraͤth, zu Nachts den Kut¬ ſcher mit dem Wagen halten, um ſogleich wie ein Leichnam traurig abzufahren. Er ſollte mir nur nicht zumuthen, ſo ſchlecht zu ſpielen wie er. Er iſt aber in allem ſo haſtig und haͤlt vor allen Vor¬ ſtellungen die Ohren zu.
Um12Uhr Nachts. Ich bin außer mir. Wer haͤtt' es von meinem Vater geglaubt? Mein Spiel konnte kaum beſſer ſtehen — es war auf
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rem Briefe fort:
„Morgen gehen gottlob meine Karwochen zu
Ende und es iſt ein Gluͤck fuͤr den Rittmeiſter, der
alle Tage empfindlicher wird, daß nur der Doktor
da iſt, der uͤber jede gezogne Figur einen Einfall
weiß.“ Sein Witz, ſagt er, beweiſe, daß er jaͤm¬
merlich ſpiele, weil gute Spieler uͤber und unter
ihrem Spielen niemals ein Bonmot haͤtten.
Den 20. Jun. um 3 Uhr. Heute Abends um
12 Uhr werd' ich endlich vom Schach-Fußblocke
loßgeſchloſſen. Er will an der Definitiv-Partie —
nennt's Fenk — den ganzen Tag ſpielen, er laͤſſet
aber, weil er aus ſeinen Tags-Kampagnen den Ab¬
lauf der naͤchtlichen erraͤth, zu Nachts den Kut¬
ſcher mit dem Wagen halten, um ſogleich wie ein
Leichnam traurig abzufahren. Er ſollte mir nur
nicht zumuthen, ſo ſchlecht zu ſpielen wie er. Er
iſt aber in allem ſo haſtig und haͤlt vor allen Vor¬
ſtellungen die Ohren zu.
Um 12 Uhr Nachts. Ich bin außer mir.
Wer haͤtt' es von meinem Vater geglaubt? Mein
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/55>, abgerufen am 24.11.2024.
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