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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Um aber keinen Anzugs-Sonderling und Klei¬
der-Separatisten zu machen, ließ er sich von Jahr
zu Jahr nach den besten Moden des Narrheits-Jour¬
nals abkonterfeien und schützte vor, er müsse den
Leuten doch zeigen, daß er oder sein Kniestück viel¬
leicht gleichen Schritt mit den neuesten Elegants zu
halten wüsten. -- Der untere Saum seines Ueber¬
rocks war gleich dem Menschen oft aus Erde ge[ ]
macht; allein er drang darauf, man sollt' es ihm sa¬
gen, was es verschlüge, wenn ers leibhaftig wie
der Strumpfwürker triebe, dessen Historie ich so¬
gleich erzählen will, um nur nicht ohne alle Mo¬
ral zu schreiben. Der Mann hatte nämlich das
Gute und Tolle an sich, daß er den kothigen An¬
schroot, womit sich sein Ueberrock besetzte, wenn
er seine Strümpfe in die Stadt auf seinem Rücken
ablieferte, niemals heraus bürstete oder ausrieb:
sondern er grif[f] in eine breite Scheere und zwickte
damit den jedesmaligen Schmutzkragen und kothi¬
gen Horizont mit Einsicht herunter -- je länger
es nun regnete, desto kürzer schürzte sich sein Frack
hinauf und am kürzesten Tage gieng der Epitoma¬
tor wegen des unerhörten Wetters im kürzesten
Ueberrock herum, in einer niedlichen Sedez-Aus¬

gabe

Um aber keinen Anzugs-Sonderling und Klei¬
der-Separatiſten zu machen, ließ er ſich von Jahr
zu Jahr nach den beſten Moden des Narrheits-Jour¬
nals abkonterfeien und ſchuͤtzte vor, er muͤſſe den
Leuten doch zeigen, daß er oder ſein Knieſtuͤck viel¬
leicht gleichen Schritt mit den neueſten Elegants zu
halten wuͤſten. — Der untere Saum ſeines Ueber¬
rocks war gleich dem Menſchen oft aus Erde ge[ ]
macht; allein er drang darauf, man ſollt' es ihm ſa¬
gen, was es verſchluͤge, wenn ers leibhaftig wie
der Strumpfwuͤrker triebe, deſſen Hiſtorie ich ſo¬
gleich erzaͤhlen will, um nur nicht ohne alle Mo¬
ral zu ſchreiben. Der Mann hatte naͤmlich das
Gute und Tolle an ſich, daß er den kothigen An¬
ſchroot, womit ſich ſein Ueberrock beſetzte, wenn
er ſeine Struͤmpfe in die Stadt auf ſeinem Ruͤcken
ablieferte, niemals heraus buͤrſtete oder ausrieb:
ſondern er grif[f] in eine breite Scheere und zwickte
damit den jedesmaligen Schmutzkragen und kothi¬
gen Horizont mit Einſicht herunter — je laͤnger
es nun regnete, deſto kuͤrzer ſchuͤrzte ſich ſein Frack
hinauf und am kuͤrzeſten Tage gieng der Epitoma¬
tor wegen des unerhoͤrten Wetters im kuͤrzeſten
Ueberrock herum, in einer niedlichen Sedez-Aus¬

gabe
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[16/0052] Um aber keinen Anzugs-Sonderling und Klei¬ der-Separatiſten zu machen, ließ er ſich von Jahr zu Jahr nach den beſten Moden des Narrheits-Jour¬ nals abkonterfeien und ſchuͤtzte vor, er muͤſſe den Leuten doch zeigen, daß er oder ſein Knieſtuͤck viel¬ leicht gleichen Schritt mit den neueſten Elegants zu halten wuͤſten. — Der untere Saum ſeines Ueber¬ rocks war gleich dem Menſchen oft aus Erde ge macht; allein er drang darauf, man ſollt' es ihm ſa¬ gen, was es verſchluͤge, wenn ers leibhaftig wie der Strumpfwuͤrker triebe, deſſen Hiſtorie ich ſo¬ gleich erzaͤhlen will, um nur nicht ohne alle Mo¬ ral zu ſchreiben. Der Mann hatte naͤmlich das Gute und Tolle an ſich, daß er den kothigen An¬ ſchroot, womit ſich ſein Ueberrock beſetzte, wenn er ſeine Struͤmpfe in die Stadt auf ſeinem Ruͤcken ablieferte, niemals heraus buͤrſtete oder ausrieb: ſondern er griff in eine breite Scheere und zwickte damit den jedesmaligen Schmutzkragen und kothi¬ gen Horizont mit Einſicht herunter — je laͤnger es nun regnete, deſto kuͤrzer ſchuͤrzte ſich ſein Frack hinauf und am kuͤrzeſten Tage gieng der Epitoma¬ tor wegen des unerhoͤrten Wetters im kuͤrzeſten Ueberrock herum, in einer niedlichen Sedez-Aus¬ gabe

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/52>, abgerufen am 01.05.2024.