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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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vielleicht in seinem wärmsten Innersten eine Achtung
für sie keimte, die zu zart und heilig war, in der
freien harten Luft des Gesprächs auszudauern. "Und
sie war natürlich neulich mit in Maussenbach?" sagte
der Eifersüchtige im fatalsten Tone -- "Ja!" aber
so viel vermochte Gustav nicht beizufügen, daß sie da
kein Wort mit ihm gesprochen. Dieses dennoch un¬
erwartete Ja zerstückte auf einmal des Fragers Ge¬
sicht, der seinen Stumpf in die Höhe gehalten (falls
die Hand wäre abgeschossen gewesen) und ge¬
schworen hätte, "es brauche weiter keines Beweises
-- Gustav halte Beaten sichtlich in seinem magneti¬
schen Wirbel -- schweig' er nicht jezt? ließ er ihr
das Bildniß nicht so gleich? wird sie, da sie die Ko¬
pien verwechselte, nicht auch die Originale verwech¬
seln, da sie sich alle vier so gleichen u. s. w."

Amandus liebte sie und dachte, man lieb ihn
auch, und man merke wo er hinaus wolle. Er hatte
Delikatesse genug in seinen eignen Handlungen,
aber nicht genug in den Vermuthungen, die er
von fremden hegte. Er hatte Beaten nämlich oft an
der medizinischen Seite seines Vaters als Patientin
in Maussenbach besucht; er hatte von ihr jene frei¬
müthige Zutraulichkeit erfahren, die viele Mädgen

vielleicht in ſeinem waͤrmſten Innerſten eine Achtung
fuͤr ſie keimte, die zu zart und heilig war, in der
freien harten Luft des Geſpraͤchs auszudauern. „Und
ſie war natuͤrlich neulich mit in Mauſſenbach?“ ſagte
der Eiferſuͤchtige im fatalſten Tone — „Ja!“ aber
ſo viel vermochte Guſtav nicht beizufuͤgen, daß ſie da
kein Wort mit ihm geſprochen. Dieſes dennoch un¬
erwartete Ja zerſtuͤckte auf einmal des Fragers Ge¬
ſicht, der ſeinen Stumpf in die Hoͤhe gehalten (falls
die Hand waͤre abgeſchoſſen geweſen) und ge¬
ſchworen haͤtte, „es brauche weiter keines Beweiſes
— Guſtav halte Beaten ſichtlich in ſeinem magneti¬
ſchen Wirbel — ſchweig' er nicht jezt? ließ er ihr
das Bildniß nicht ſo gleich? wird ſie, da ſie die Ko¬
pien verwechſelte, nicht auch die Originale verwech¬
ſeln, da ſie ſich alle vier ſo gleichen u. ſ. w.“

Amandus liebte ſie und dachte, man lieb ihn
auch, und man merke wo er hinaus wolle. Er hatte
Delikateſſe genug in ſeinen eignen Handlungen,
aber nicht genug in den Vermuthungen, die er
von fremden hegte. Er hatte Beaten naͤmlich oft an
der mediziniſchen Seite ſeines Vaters als Patientin
in Mauſſenbach beſucht; er hatte von ihr jene frei¬
muͤthige Zutraulichkeit erfahren, die viele Maͤdgen

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[334/0370] vielleicht in ſeinem waͤrmſten Innerſten eine Achtung fuͤr ſie keimte, die zu zart und heilig war, in der freien harten Luft des Geſpraͤchs auszudauern. „Und ſie war natuͤrlich neulich mit in Mauſſenbach?“ ſagte der Eiferſuͤchtige im fatalſten Tone — „Ja!“ aber ſo viel vermochte Guſtav nicht beizufuͤgen, daß ſie da kein Wort mit ihm geſprochen. Dieſes dennoch un¬ erwartete Ja zerſtuͤckte auf einmal des Fragers Ge¬ ſicht, der ſeinen Stumpf in die Hoͤhe gehalten (falls die Hand waͤre abgeſchoſſen geweſen) und ge¬ ſchworen haͤtte, „es brauche weiter keines Beweiſes — Guſtav halte Beaten ſichtlich in ſeinem magneti¬ ſchen Wirbel — ſchweig' er nicht jezt? ließ er ihr das Bildniß nicht ſo gleich? wird ſie, da ſie die Ko¬ pien verwechſelte, nicht auch die Originale verwech¬ ſeln, da ſie ſich alle vier ſo gleichen u. ſ. w.“ Amandus liebte ſie und dachte, man lieb ihn auch, und man merke wo er hinaus wolle. Er hatte Delikateſſe genug in ſeinen eignen Handlungen, aber nicht genug in den Vermuthungen, die er von fremden hegte. Er hatte Beaten naͤmlich oft an der mediziniſchen Seite ſeines Vaters als Patientin in Mauſſenbach beſucht; er hatte von ihr jene frei¬ muͤthige Zutraulichkeit erfahren, die viele Maͤdgen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/370>, abgerufen am 24.11.2024.