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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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keine Stimme, und Eltern und Kind verwandelten die
Worte in stille Umarmungen. Er kam auch zu mir
. . . in gewissen Verfassungen ist man froh, daß der
andre in der nämlichen ist und also unsre vergiebt. . .
Ich wollt', Gustav, ich hätte dich jetzt in meiner
Stube. -- Wenn Kinder sich Gott -- nicht wie Er¬
wachsene, als ihres Gleichen, als ein Kind, sondern
-- als einen Menschen denken: so ist das für ihr klei¬
nes Herz genug. Gustav gieng nach diesen Abbitten
wankend, zitternd, betäubt, wie wenn er das sähe
was er dachte -- Gott, -- in die verlassene Kind¬
heitshöhle hinab, wo er unter der Erdrinde erzogen
wurde und wo seine ersten Tage und ersten Spiele
und Wünsche begraben lagen. Hier wollt' er knien
und in dieser zerbrochnen Andachtsstellung, worin
der Genius der Sonnen und Erden in jener vielleicht
frömmsten Zeit unsers Lebens alle gefühlvolle Kin¬
der erblickt, seine ganze Seele in einen einzigen
Laut, in einen einzigen Seufzer verwandeln und sie
opfern auf dem Dankaltar; aber dieser größte mensch¬
liche Gedanke riß sich wie eine neue Seele von sei¬
ner los und überwältigt sie -- Gustav lag und so¬
gar seine Gedanken verstummten . . . Aber die Stim¬
me wird gehört, die in der Brust bleibt, und der

keine Stimme, und Eltern und Kind verwandelten die
Worte in ſtille Umarmungen. Er kam auch zu mir
. . . in gewiſſen Verfaſſungen iſt man froh, daß der
andre in der naͤmlichen iſt und alſo unſre vergiebt. . .
Ich wollt', Guſtav, ich haͤtte dich jetzt in meiner
Stube. — Wenn Kinder ſich Gott — nicht wie Er¬
wachſene, als ihres Gleichen, als ein Kind, ſondern
— als einen Menſchen denken: ſo iſt das fuͤr ihr klei¬
nes Herz genug. Guſtav gieng nach dieſen Abbitten
wankend, zitternd, betaͤubt, wie wenn er das ſaͤhe
was er dachte — Gott, — in die verlaſſene Kind¬
heitshoͤhle hinab, wo er unter der Erdrinde erzogen
wurde und wo ſeine erſten Tage und erſten Spiele
und Wuͤnſche begraben lagen. Hier wollt' er knien
und in dieſer zerbrochnen Andachtsſtellung, worin
der Genius der Sonnen und Erden in jener vielleicht
froͤmmſten Zeit unſers Lebens alle gefuͤhlvolle Kin¬
der erblickt, ſeine ganze Seele in einen einzigen
Laut, in einen einzigen Seufzer verwandeln und ſie
opfern auf dem Dankaltar; aber dieſer groͤßte menſch¬
liche Gedanke riß ſich wie eine neue Seele von ſei¬
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gar ſeine Gedanken verſtummten . . . Aber die Stim¬
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[210/0246] keine Stimme, und Eltern und Kind verwandelten die Worte in ſtille Umarmungen. Er kam auch zu mir . . . in gewiſſen Verfaſſungen iſt man froh, daß der andre in der naͤmlichen iſt und alſo unſre vergiebt. . . Ich wollt', Guſtav, ich haͤtte dich jetzt in meiner Stube. — Wenn Kinder ſich Gott — nicht wie Er¬ wachſene, als ihres Gleichen, als ein Kind, ſondern — als einen Menſchen denken: ſo iſt das fuͤr ihr klei¬ nes Herz genug. Guſtav gieng nach dieſen Abbitten wankend, zitternd, betaͤubt, wie wenn er das ſaͤhe was er dachte — Gott, — in die verlaſſene Kind¬ heitshoͤhle hinab, wo er unter der Erdrinde erzogen wurde und wo ſeine erſten Tage und erſten Spiele und Wuͤnſche begraben lagen. Hier wollt' er knien und in dieſer zerbrochnen Andachtsſtellung, worin der Genius der Sonnen und Erden in jener vielleicht froͤmmſten Zeit unſers Lebens alle gefuͤhlvolle Kin¬ der erblickt, ſeine ganze Seele in einen einzigen Laut, in einen einzigen Seufzer verwandeln und ſie opfern auf dem Dankaltar; aber dieſer groͤßte menſch¬ liche Gedanke riß ſich wie eine neue Seele von ſei¬ ner los und uͤberwaͤltigt ſie — Guſtav lag und ſo¬ gar ſeine Gedanken verſtummten . . . Aber die Stim¬ me wird gehoͤrt, die in der Bruſt bleibt, und der

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/246>, abgerufen am 22.11.2024.