-- Sie war auf meine Ehre eine recht gute Frau, aber nur nicht allemal, z. B. beim Abrei¬ sen am wenigsten: sie wollte erstlich dableiben und keifte in alle hörende Wesen hinein, zweitens woll¬ te sie fort. Niemals, wenn ihr Mann am Mor¬ gen sich und seinem Hunde den Halsschmuck um¬ legte, um Visiten zu machen, begehrte sie mit (sie müste denn die völlige Unmöglichkeit mitzukom¬ men vorausgesehen haben:) sondern wenn er am zweiten Tage nur ein Wort von einer Dame, die mit da gewesen, schießen ließ, so klagte sie ihm ihre Noth: "unser eine riecht nun den ganzen Sommer nicht aus dem Hause hinaus." Wollt' er sie das nächste Mal mitzwingen: so war entsetzlich zu thun, es war zu bleichen, zu jäten, Fleisch¬ fässer und Serviettenpressen zuzuschrauben Wäsch¬ zettel und alles zu machen, oder das vorzuschützen: "ich bin am liebsten bei meinem Kleinen." Allein ihre Absicht, die wenige erriethen, war bloß, an zwei Orten auf einmal zu seyn, in und außer dem Hause -- und es ist für unsre Weiber schlimm, wenn unsre Philosophen und Männer nicht so viel einsehen wie die katholischen Philosophen und Män¬ ner, die kombrischen, Ariaga, Bekanus längst
— Sie war auf meine Ehre eine recht gute Frau, aber nur nicht allemal, z. B. beim Abrei¬ ſen am wenigſten: ſie wollte erſtlich dableiben und keifte in alle hoͤrende Weſen hinein, zweitens woll¬ te ſie fort. Niemals, wenn ihr Mann am Mor¬ gen ſich und ſeinem Hunde den Halsſchmuck um¬ legte, um Viſiten zu machen, begehrte ſie mit (ſie muͤſte denn die voͤllige Unmoͤglichkeit mitzukom¬ men vorausgeſehen haben:) ſondern wenn er am zweiten Tage nur ein Wort von einer Dame, die mit da geweſen, ſchießen ließ, ſo klagte ſie ihm ihre Noth: „unſer eine riecht nun den ganzen Sommer nicht aus dem Hauſe hinaus.“ Wollt' er ſie das naͤchſte Mal mitzwingen: ſo war entſetzlich zu thun, es war zu bleichen, zu jaͤten, Fleiſch¬ faͤſſer und Serviettenpreſſen zuzuſchrauben Waͤſch¬ zettel und alles zu machen, oder das vorzuſchuͤtzen: „ich bin am liebſten bei meinem Kleinen.“ Allein ihre Abſicht, die wenige erriethen, war bloß, an zwei Orten auf einmal zu ſeyn, in und außer dem Hauſe — und es iſt fuͤr unſre Weiber ſchlimm, wenn unſre Philoſophen und Maͤnner nicht ſo viel einſehen wie die katholiſchen Philoſophen und Maͤn¬ ner, die kombriſchen, Ariaga, Bekanus laͤngſt
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— Sie war auf meine Ehre eine recht gute
Frau, aber nur nicht allemal, z. B. beim Abrei¬
ſen am wenigſten: ſie wollte erſtlich dableiben und
keifte in alle hoͤrende Weſen hinein, zweitens woll¬
te ſie fort. Niemals, wenn ihr Mann am Mor¬
gen ſich und ſeinem Hunde den Halsſchmuck um¬
legte, um Viſiten zu machen, begehrte ſie mit
(ſie muͤſte denn die voͤllige Unmoͤglichkeit mitzukom¬
men vorausgeſehen haben:) ſondern wenn er am
zweiten Tage nur ein Wort von einer Dame, die
mit da geweſen, ſchießen ließ, ſo klagte ſie ihm
ihre Noth: „unſer eine riecht nun den ganzen
Sommer nicht aus dem Hauſe hinaus.“ Wollt' er
ſie das naͤchſte Mal mitzwingen: ſo war entſetzlich
zu thun, es war zu bleichen, zu jaͤten, Fleiſch¬
faͤſſer und Serviettenpreſſen zuzuſchrauben Waͤſch¬
zettel und alles zu machen, oder das vorzuſchuͤtzen:
„ich bin am liebſten bei meinem Kleinen.“ Allein
ihre Abſicht, die wenige erriethen, war bloß, an
zwei Orten auf einmal zu ſeyn, in und außer
dem Hauſe — und es iſt fuͤr unſre Weiber ſchlimm,
wenn unſre Philoſophen und Maͤnner nicht ſo viel
einſehen wie die katholiſchen Philoſophen und Maͤn¬
ner, die kombriſchen, Ariaga, Bekanus laͤngſt
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/136>, abgerufen am 21.11.2024.
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