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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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noch ärger. Gleich Gelehrten liegt sie neben dem
Brodtstudium noch einem Nebenstudium und Bei¬
werk ob und thut mit jeder Sache die benachbar¬
ten mit. "Ich kann nun einmal nicht so lüderlich
seyn wie andre Weiber" sagte sie jezt zum knir¬
schenden Ehemann, der acht stumme Minuten ihr
zusah. "Ich wollt' ins Teufels Namen lieber, Du
wärest die lüderlichste in der ganzen schriftfassigen
Ritterschaft" -- sagt' er. Da sie nun so oft sie
Sturm und Unrecht hatte, bloß auf den zornigen
Hyperbeln des andern ankerte, wie ich als appel¬
latischer Sachwalter häufig muß: so bewieß sie
auch dasmal geschickt, daß an lüderlichen Frauen
wenig wäre -- und da einen hitzigen Rittmeister
nichts noch mehr aufbringt als ein stolzer Beweiß
dessen, was er gar nicht läugnet: so giengs wie
allemal loß -- die Zungen-Streitflegel bewegten
sich -- seine Speicheldrüse, ihre Thränendrüse, und
beider Gallenblasen sezernirten so viel als in christ¬
lichen Ehestunden sezerniret werden muß -- aber
15 Minuten und 15 Packereien sogen wie Venen
alle diese ehelichen Absonderungen wieder ein. Beim
Abreisen hat kein Mensch Zeit, sich zu erboßen.

G 2

noch aͤrger. Gleich Gelehrten liegt ſie neben dem
Brodtſtudium noch einem Nebenſtudium und Bei¬
werk ob und thut mit jeder Sache die benachbar¬
ten mit. „Ich kann nun einmal nicht ſo luͤderlich
ſeyn wie andre Weiber“ ſagte ſie jezt zum knir¬
ſchenden Ehemann, der acht ſtumme Minuten ihr
zuſah. „Ich wollt' ins Teufels Namen lieber, Du
waͤreſt die luͤderlichſte in der ganzen ſchriftfaſſigen
Ritterſchaft“ — ſagt' er. Da ſie nun ſo oft ſie
Sturm und Unrecht hatte, bloß auf den zornigen
Hyperbeln des andern ankerte, wie ich als appel¬
latiſcher Sachwalter haͤufig muß: ſo bewieß ſie
auch dasmal geſchickt, daß an luͤderlichen Frauen
wenig waͤre — und da einen hitzigen Rittmeiſter
nichts noch mehr aufbringt als ein ſtolzer Beweiß
deſſen, was er gar nicht laͤugnet: ſo giengs wie
allemal loß — die Zungen-Streitflegel bewegten
ſich — ſeine Speicheldruͤſe, ihre Thraͤnendruͤſe, und
beider Gallenblaſen ſezernirten ſo viel als in chriſt¬
lichen Eheſtunden ſezerniret werden muß — aber
15 Minuten und 15 Packereien ſogen wie Venen
alle dieſe ehelichen Abſonderungen wieder ein. Beim
Abreiſen hat kein Menſch Zeit, ſich zu erboßen.

G 2
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[99/0135] noch aͤrger. Gleich Gelehrten liegt ſie neben dem Brodtſtudium noch einem Nebenſtudium und Bei¬ werk ob und thut mit jeder Sache die benachbar¬ ten mit. „Ich kann nun einmal nicht ſo luͤderlich ſeyn wie andre Weiber“ ſagte ſie jezt zum knir¬ ſchenden Ehemann, der acht ſtumme Minuten ihr zuſah. „Ich wollt' ins Teufels Namen lieber, Du waͤreſt die luͤderlichſte in der ganzen ſchriftfaſſigen Ritterſchaft“ — ſagt' er. Da ſie nun ſo oft ſie Sturm und Unrecht hatte, bloß auf den zornigen Hyperbeln des andern ankerte, wie ich als appel¬ latiſcher Sachwalter haͤufig muß: ſo bewieß ſie auch dasmal geſchickt, daß an luͤderlichen Frauen wenig waͤre — und da einen hitzigen Rittmeiſter nichts noch mehr aufbringt als ein ſtolzer Beweiß deſſen, was er gar nicht laͤugnet: ſo giengs wie allemal loß — die Zungen-Streitflegel bewegten ſich — ſeine Speicheldruͤſe, ihre Thraͤnendruͤſe, und beider Gallenblaſen ſezernirten ſo viel als in chriſt¬ lichen Eheſtunden ſezerniret werden muß — aber 15 Minuten und 15 Packereien ſogen wie Venen alle dieſe ehelichen Abſonderungen wieder ein. Beim Abreiſen hat kein Menſch Zeit, ſich zu erboßen. G 2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/135>, abgerufen am 27.04.2024.