Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

räusch die Tasten der verborgensten Saiten ge¬
drückt hatten: so nahm sein Muth und seine Lie¬
be um ein Namhaftes und nicht selten in dem
Grade zu, daß er den Kuchen, den er für sie ein¬
gesteckt, öffentlich aus der Tasche holte und ohne
Bedenken -- ins Gras legte, um ihr wirklich den
Antrag dieses Backwerks zu machen, sobald sie in
der Dämmerung beim -- Schlosthor auseinander
musten: hier stieß er ihr die Schenkung mit hasti¬
ger Verwirrung zu und sprang mit freudiger Be¬
schämung davon. Gelang es ihm, ihr dieses Abend¬
opfer zu insinuiren: so war jede Pulsader seines
Arteriensystems ein entzückt klopfendes Herz (denn
die Sprache und Freude seiner Liebe war Geben)
und unter seiner Bettdecke pflanzte er die ganze
Nacht kühne Plane auf Morgen, die der Nach¬
mittags Glockenhammer mit vier Schlägen sämmt¬
lich -- bis auf ihre Herz-Wurzel -- in die Erde
schlug. Sie that immer das breite Halstuch ihrer
Mutter um; daraus muß es ein Philosoph von
Verstand ableiten, daß ihm später die großen Hals¬
tücher der Damen gefielen, die ich selber den vo¬
rigen Tändelschürzen des Halses vorziehe; aus dem
nämlichen Grunde gefielen ihm und mir auch breite
Kopfbinden und breite Schürzen. Ich habe schon

raͤuſch die Taſten der verborgenſten Saiten ge¬
druͤckt hatten: ſo nahm ſein Muth und ſeine Lie¬
be um ein Namhaftes und nicht ſelten in dem
Grade zu, daß er den Kuchen, den er fuͤr ſie ein¬
geſteckt, oͤffentlich aus der Taſche holte und ohne
Bedenken — ins Gras legte, um ihr wirklich den
Antrag dieſes Backwerks zu machen, ſobald ſie in
der Daͤmmerung beim — Schlosthor auseinander
muſten: hier ſtieß er ihr die Schenkung mit haſti¬
ger Verwirrung zu und ſprang mit freudiger Be¬
ſchaͤmung davon. Gelang es ihm, ihr dieſes Abend¬
opfer zu inſinuiren: ſo war jede Pulsader ſeines
Arterienſyſtems ein entzuͤckt klopfendes Herz (denn
die Sprache und Freude ſeiner Liebe war Geben)
und unter ſeiner Bettdecke pflanzte er die ganze
Nacht kuͤhne Plane auf Morgen, die der Nach¬
mittags Glockenhammer mit vier Schlaͤgen ſaͤmmt¬
lich — bis auf ihre Herz-Wurzel — in die Erde
ſchlug. Sie that immer das breite Halstuch ihrer
Mutter um; daraus muß es ein Philoſoph von
Verſtand ableiten, daß ihm ſpaͤter die großen Hals¬
tuͤcher der Damen gefielen, die ich ſelber den vo¬
rigen Taͤndelſchuͤrzen des Halſes vorziehe; aus dem
naͤmlichen Grunde gefielen ihm und mir auch breite
Kopfbinden und breite Schuͤrzen. Ich habe ſchon

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0128" n="92"/>
ra&#x0364;u&#x017F;ch die Ta&#x017F;ten der verborgen&#x017F;ten Saiten ge¬<lb/>
dru&#x0364;ckt hatten: &#x017F;o nahm &#x017F;ein Muth und &#x017F;eine Lie¬<lb/>
be um ein Namhaftes und nicht &#x017F;elten in <hi rendition="#g">dem</hi><lb/>
Grade zu, daß er den Kuchen, den er fu&#x0364;r &#x017F;ie ein¬<lb/>
ge&#x017F;teckt, o&#x0364;ffentlich aus der Ta&#x017F;che holte und ohne<lb/>
Bedenken &#x2014; ins Gras legte, um ihr wirklich den<lb/>
Antrag die&#x017F;es Backwerks zu machen, &#x017F;obald &#x017F;ie in<lb/>
der Da&#x0364;mmerung beim &#x2014; Schlosthor auseinander<lb/>
mu&#x017F;ten: hier &#x017F;tieß er ihr die Schenkung mit ha&#x017F;ti¬<lb/>
ger Verwirrung zu und &#x017F;prang mit freudiger Be¬<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;mung davon. Gelang es ihm, ihr die&#x017F;es Abend¬<lb/>
opfer zu in&#x017F;inuiren: &#x017F;o war jede Pulsader &#x017F;eines<lb/>
Arterien&#x017F;y&#x017F;tems ein entzu&#x0364;ckt klopfendes Herz (denn<lb/>
die Sprache und Freude &#x017F;einer Liebe war Geben)<lb/>
und unter &#x017F;einer Bettdecke pflanzte er die ganze<lb/>
Nacht ku&#x0364;hne Plane auf Morgen, die der Nach¬<lb/>
mittags Glockenhammer mit <hi rendition="#g">vier</hi> Schla&#x0364;gen &#x017F;a&#x0364;mmt¬<lb/>
lich &#x2014; bis auf ihre Herz-Wurzel &#x2014; in die Erde<lb/>
&#x017F;chlug. Sie that immer das breite Halstuch ihrer<lb/>
Mutter um; daraus muß es ein Philo&#x017F;oph von<lb/>
Ver&#x017F;tand ableiten, daß ihm &#x017F;pa&#x0364;ter die großen Hals¬<lb/>
tu&#x0364;cher der Damen gefielen, die ich &#x017F;elber den vo¬<lb/>
rigen Ta&#x0364;ndel&#x017F;chu&#x0364;rzen des Hal&#x017F;es vorziehe; aus dem<lb/>
na&#x0364;mlichen Grunde gefielen ihm und mir auch breite<lb/>
Kopfbinden und breite Schu&#x0364;rzen. Ich habe &#x017F;chon<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0128] raͤuſch die Taſten der verborgenſten Saiten ge¬ druͤckt hatten: ſo nahm ſein Muth und ſeine Lie¬ be um ein Namhaftes und nicht ſelten in dem Grade zu, daß er den Kuchen, den er fuͤr ſie ein¬ geſteckt, oͤffentlich aus der Taſche holte und ohne Bedenken — ins Gras legte, um ihr wirklich den Antrag dieſes Backwerks zu machen, ſobald ſie in der Daͤmmerung beim — Schlosthor auseinander muſten: hier ſtieß er ihr die Schenkung mit haſti¬ ger Verwirrung zu und ſprang mit freudiger Be¬ ſchaͤmung davon. Gelang es ihm, ihr dieſes Abend¬ opfer zu inſinuiren: ſo war jede Pulsader ſeines Arterienſyſtems ein entzuͤckt klopfendes Herz (denn die Sprache und Freude ſeiner Liebe war Geben) und unter ſeiner Bettdecke pflanzte er die ganze Nacht kuͤhne Plane auf Morgen, die der Nach¬ mittags Glockenhammer mit vier Schlaͤgen ſaͤmmt¬ lich — bis auf ihre Herz-Wurzel — in die Erde ſchlug. Sie that immer das breite Halstuch ihrer Mutter um; daraus muß es ein Philoſoph von Verſtand ableiten, daß ihm ſpaͤter die großen Hals¬ tuͤcher der Damen gefielen, die ich ſelber den vo¬ rigen Taͤndelſchuͤrzen des Halſes vorziehe; aus dem naͤmlichen Grunde gefielen ihm und mir auch breite Kopfbinden und breite Schuͤrzen. Ich habe ſchon

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/128
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/128>, abgerufen am 28.04.2024.