mit ihr halten muß -- und genau genommen, ists schon so --: so ists ihm jetzt hauptsächlich um rei¬ ne Sitten zu thun; er lässet also zwar derjenigen Sammlung von Arterien, Nervenknoten, Haaren, und edlern Theilen, die man insgemein seine Frau benennt, seinen Namen, seinen halben Kredit, und seine halben Kinder, weil man überhaupt in der gro¬ ßen Welt ungern öffentliche Verbindungen öffentlich aufhebt und lieber am Ende an tausend von Luft geflochtenen Ketten geht: aber das gestattet ihm seine Achtung für Moral und Publikum nicht, eine und dieselbe Wohnung -- Tafel -- Gesellschaft mit einer Frau zu haben, die einen andern Körper hat; er erscheint sogar (welches vielleicht zu skrupulös ist) ungern mit ihr öffentlich und enthält sich we¬ nigstens in seinem Hause alles dessen, wozu er oder Origenes sich unfähig machten.
Es sind schlechte abgefärbte Katheder, die mir den Einwurf machen können, die verehelichten See¬ len blieben ja doch wenn die Leiber verrauchten. Denn mit der Seele, (also mit dem Gedächtniß, Abstraktionsvermögen etc.) lässet man sich heut zu Tage wenig oder nicht kopuliren, sondern mit dem was d'rum rum ist. Zweitens ists ja bei jedem
mit ihr halten muß — und genau genommen, iſts ſchon ſo —: ſo iſts ihm jetzt hauptſaͤchlich um rei¬ ne Sitten zu thun; er laͤſſet alſo zwar derjenigen Sammlung von Arterien, Nervenknoten, Haaren, und edlern Theilen, die man insgemein ſeine Frau benennt, ſeinen Namen, ſeinen halben Kredit, und ſeine halben Kinder, weil man uͤberhaupt in der gro¬ ßen Welt ungern oͤffentliche Verbindungen oͤffentlich aufhebt und lieber am Ende an tauſend von Luft geflochtenen Ketten geht: aber das geſtattet ihm ſeine Achtung fuͤr Moral und Publikum nicht, eine und dieſelbe Wohnung — Tafel — Geſellſchaft mit einer Frau zu haben, die einen andern Koͤrper hat; er erſcheint ſogar (welches vielleicht zu ſkrupuloͤs iſt) ungern mit ihr oͤffentlich und enthaͤlt ſich we¬ nigſtens in ſeinem Hauſe alles deſſen, wozu er oder Origenes ſich unfaͤhig machten.
Es ſind ſchlechte abgefaͤrbte Katheder, die mir den Einwurf machen koͤnnen, die verehelichten See¬ len blieben ja doch wenn die Leiber verrauchten. Denn mit der Seele, (alſo mit dem Gedaͤchtniß, Abſtraktionsvermoͤgen ꝛc.) laͤſſet man ſich heut zu Tage wenig oder nicht kopuliren, ſondern mit dem was d'rum rum iſt. Zweitens iſts ja bei jedem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0115"n="79"/><hirendition="#g">mit</hi> ihr halten muß — und genau genommen, iſts<lb/>ſchon ſo —: ſo iſts ihm jetzt hauptſaͤchlich um rei¬<lb/>
ne Sitten zu thun; er laͤſſet alſo zwar derjenigen<lb/>
Sammlung von Arterien, Nervenknoten, Haaren,<lb/>
und edlern Theilen, die man insgemein ſeine Frau<lb/>
benennt, ſeinen Namen, ſeinen halben Kredit, und<lb/>ſeine halben Kinder, weil man uͤberhaupt in der gro¬<lb/>
ßen Welt ungern oͤffentliche Verbindungen oͤffentlich<lb/>
aufhebt und lieber am Ende an tauſend von Luft<lb/>
geflochtenen Ketten geht: aber <hirendition="#g">das</hi> geſtattet ihm<lb/>ſeine Achtung fuͤr Moral und Publikum nicht, eine<lb/>
und dieſelbe Wohnung — Tafel — Geſellſchaft mit<lb/>
einer Frau zu haben, die einen andern Koͤrper hat;<lb/>
er erſcheint ſogar (welches vielleicht zu ſkrupuloͤs<lb/>
iſt) ungern mit ihr oͤffentlich und enthaͤlt ſich we¬<lb/>
nigſtens in ſeinem Hauſe alles deſſen, wozu er oder<lb/>
Origenes ſich unfaͤhig machten.</p><lb/><p>Es ſind ſchlechte abgefaͤrbte Katheder, die mir<lb/>
den Einwurf machen koͤnnen, die verehelichten See¬<lb/>
len blieben ja doch wenn die Leiber verrauchten.<lb/>
Denn mit der Seele, (alſo mit dem Gedaͤchtniß,<lb/>
Abſtraktionsvermoͤgen ꝛc.) laͤſſet man ſich heut zu<lb/>
Tage wenig oder nicht kopuliren, ſondern mit dem<lb/>
was d'rum rum iſt. Zweitens iſts ja bei jedem<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[79/0115]
mit ihr halten muß — und genau genommen, iſts
ſchon ſo —: ſo iſts ihm jetzt hauptſaͤchlich um rei¬
ne Sitten zu thun; er laͤſſet alſo zwar derjenigen
Sammlung von Arterien, Nervenknoten, Haaren,
und edlern Theilen, die man insgemein ſeine Frau
benennt, ſeinen Namen, ſeinen halben Kredit, und
ſeine halben Kinder, weil man uͤberhaupt in der gro¬
ßen Welt ungern oͤffentliche Verbindungen oͤffentlich
aufhebt und lieber am Ende an tauſend von Luft
geflochtenen Ketten geht: aber das geſtattet ihm
ſeine Achtung fuͤr Moral und Publikum nicht, eine
und dieſelbe Wohnung — Tafel — Geſellſchaft mit
einer Frau zu haben, die einen andern Koͤrper hat;
er erſcheint ſogar (welches vielleicht zu ſkrupuloͤs
iſt) ungern mit ihr oͤffentlich und enthaͤlt ſich we¬
nigſtens in ſeinem Hauſe alles deſſen, wozu er oder
Origenes ſich unfaͤhig machten.
Es ſind ſchlechte abgefaͤrbte Katheder, die mir
den Einwurf machen koͤnnen, die verehelichten See¬
len blieben ja doch wenn die Leiber verrauchten.
Denn mit der Seele, (alſo mit dem Gedaͤchtniß,
Abſtraktionsvermoͤgen ꝛc.) laͤſſet man ſich heut zu
Tage wenig oder nicht kopuliren, ſondern mit dem
was d'rum rum iſt. Zweitens iſts ja bei jedem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/115>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.