Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Leben hatte ein weißes Brautkleid angezogen --
wie in einem vom Mondschein glimmenden
Abendthau und im Lindenduft und Sonnen-
Nachröthe schienen der seeligen Theoda die
weißgekleideten Mädchen zu gehen, und sie
liebte sie alle von Herzen -- und sie hielt alle
Zuschauer für so gut und warm, daß sie öffent-
lich wie vor einem Altare hätte dem Geliebten
die Hand geben können. --

In dieser Minute ließ der Fürst (nach
seiner Gewohnheit) eine heimliche nach dem
Abendhimmel gerichtete Eichenpforte des Hölen-
Bergs aufreissen, und ließ die Abendsonne wie
einen goldnen Blitz durch die ganze Unterwelt
schlagen, und mit einer Feuersäule durch sie
lodern. "Ach Gott, ist denn dieß wahr, sehen
Sie es auch?" sagte Theoda zu ihm, welche
glaubte, sie erblicke nur ihr innres Entzücken
in das äußere Glänzen ausgebrochen und ihr
Gesichte vorspielend, da gleichsam die goldne
Axe des Sonnenwagens in der Nachwelt
ruhte und mit dem Glanz-Morgen, den er
ewig mitbringt, die Lichter auslöschte und die

Leben hatte ein weißes Brautkleid angezogen —
wie in einem vom Mondſchein glimmenden
Abendthau und im Lindenduft und Sonnen-
Nachröthe ſchienen der ſeeligen Theoda die
weißgekleideten Mädchen zu gehen, und ſie
liebte ſie alle von Herzen — und ſie hielt alle
Zuſchauer fuͤr ſo gut und warm, daß ſie oͤffent-
lich wie vor einem Altare haͤtte dem Geliebten
die Hand geben können. —

In dieſer Minute ließ der Fuͤrſt (nach
ſeiner Gewohnheit) eine heimliche nach dem
Abendhimmel gerichtete Eichenpforte des Hölen-
Bergs aufreiſſen, und ließ die Abendſonne wie
einen goldnen Blitz durch die ganze Unterwelt
ſchlagen, und mit einer Feuerſaͤule durch ſie
lodern. „Ach Gott, iſt denn dieß wahr, ſehen
Sie es auch?“ ſagte Theoda zu ihm, welche
glaubte, ſie erblicke nur ihr innres Entzuͤcken
in das aͤußere Glaͤnzen ausgebrochen und ihr
Geſichte vorſpielend, da gleichſam die goldne
Axe des Sonnenwagens in der Nachwelt
ruhte und mit dem Glanz-Morgen, den er
ewig mitbringt, die Lichter ausloͤſchte und die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0094" n="88"/>
Leben hatte ein weißes Brautkleid angezogen &#x2014;<lb/>
wie in einem vom Mond&#x017F;chein glimmenden<lb/>
Abendthau und im Lindenduft und Sonnen-<lb/>
Nachröthe &#x017F;chienen der &#x017F;eeligen Theoda die<lb/>
weißgekleideten Mädchen zu gehen, und &#x017F;ie<lb/>
liebte &#x017F;ie alle von Herzen &#x2014; und &#x017F;ie hielt alle<lb/>
Zu&#x017F;chauer fu&#x0364;r &#x017F;o gut und warm, daß &#x017F;ie o&#x0364;ffent-<lb/>
lich wie vor einem Altare ha&#x0364;tte dem Geliebten<lb/>
die Hand geben können. &#x2014;</p><lb/>
            <p>In die&#x017F;er Minute ließ der Fu&#x0364;r&#x017F;t (nach<lb/>
&#x017F;einer Gewohnheit) eine heimliche nach dem<lb/>
Abendhimmel gerichtete Eichenpforte des Hölen-<lb/>
Bergs aufrei&#x017F;&#x017F;en, und ließ die Abend&#x017F;onne wie<lb/>
einen goldnen Blitz durch die ganze Unterwelt<lb/>
&#x017F;chlagen, und mit einer Feuer&#x017F;a&#x0364;ule durch &#x017F;ie<lb/>
lodern. &#x201E;Ach Gott, i&#x017F;t denn dieß wahr, &#x017F;ehen<lb/>
Sie es auch?&#x201C; &#x017F;agte Theoda zu ihm, welche<lb/>
glaubte, &#x017F;ie erblicke nur ihr innres Entzu&#x0364;cken<lb/>
in das a&#x0364;ußere Gla&#x0364;nzen ausgebrochen und ihr<lb/>
Ge&#x017F;ichte vor&#x017F;pielend, da gleich&#x017F;am die goldne<lb/>
Axe des Sonnenwagens in der Nachwelt<lb/>
ruhte und mit dem Glanz-Morgen, den er<lb/>
ewig mitbringt, die Lichter auslo&#x0364;&#x017F;chte und die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0094] Leben hatte ein weißes Brautkleid angezogen — wie in einem vom Mondſchein glimmenden Abendthau und im Lindenduft und Sonnen- Nachröthe ſchienen der ſeeligen Theoda die weißgekleideten Mädchen zu gehen, und ſie liebte ſie alle von Herzen — und ſie hielt alle Zuſchauer fuͤr ſo gut und warm, daß ſie oͤffent- lich wie vor einem Altare haͤtte dem Geliebten die Hand geben können. — In dieſer Minute ließ der Fuͤrſt (nach ſeiner Gewohnheit) eine heimliche nach dem Abendhimmel gerichtete Eichenpforte des Hölen- Bergs aufreiſſen, und ließ die Abendſonne wie einen goldnen Blitz durch die ganze Unterwelt ſchlagen, und mit einer Feuerſaͤule durch ſie lodern. „Ach Gott, iſt denn dieß wahr, ſehen Sie es auch?“ ſagte Theoda zu ihm, welche glaubte, ſie erblicke nur ihr innres Entzuͤcken in das aͤußere Glaͤnzen ausgebrochen und ihr Geſichte vorſpielend, da gleichſam die goldne Axe des Sonnenwagens in der Nachwelt ruhte und mit dem Glanz-Morgen, den er ewig mitbringt, die Lichter ausloͤſchte und die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/94
Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/94>, abgerufen am 22.11.2024.