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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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Höhen und die Wasser übergoldete -- da der
ferne Mond-Tempel wie ein Sonnen-Tempel
glühte -- da die bleiche Bildsäule am See
sich in lebendigem Rosenlichte badete und aus-
einander blühte -- da das angezündete Früh-
roth des Lebens an der einsamen-Abend- und
Nacht-Welt plötzlich einen bevölkerten Lust-
garten voll wandelnde Menschen aufdeckte. --

Und doch, Theoda, ist dein Irrthum kei-
ner! Was sind denn Berge und Lichter und
Fluren, ohne ein liebendes Herz und ein ge-
liebtes? Nur wir beseelen und entseelen den
Leib der Welt. Ist ein Garten eine engere
Landschaft, so ist die Liebe nur ein verkleiner-
tes All; in jeder Freudenthräne wohnt die
große Sonne rund und licht und in Farben
eingefaßt.

Lange noch immer war's Theoda'n, als
wenn die Stralen hineinweheten und zitterten.
Die Sonne senkte sich höher an der seltsamen
Klippendecke hinweg, bis alles mit einem
kurzen Nachschimmern entschwand. Während
der Finsternis, ehe drinnen die Lichter wieder,

Hoͤhen und die Waſſer uͤbergoldete — da der
ferne Mond-Tempel wie ein Sonnen-Tempel
gluͤhte — da die bleiche Bildſäule am See
ſich in lebendigem Roſenlichte badete und aus-
einander bluͤhte — da das angezuͤndete Fruͤh-
roth des Lebens an der einſamen-Abend- und
Nacht-Welt ploͤtzlich einen bevoͤlkerten Luſt-
garten voll wandelnde Menſchen aufdeckte. —

Und doch, Theoda, iſt dein Irrthum kei-
ner! Was ſind denn Berge und Lichter und
Fluren, ohne ein liebendes Herz und ein ge-
liebtes? Nur wir beſeelen und entſeelen den
Leib der Welt. Iſt ein Garten eine engere
Landſchaft, ſo iſt die Liebe nur ein verkleiner-
tes All; in jeder Freudenthraͤne wohnt die
große Sonne rund und licht und in Farben
eingefaßt.

Lange noch immer war’s Theoda’n, als
wenn die Stralen hineinweheten und zitterten.
Die Sonne ſenkte ſich hoͤher an der ſeltſamen
Klippendecke hinweg, bis alles mit einem
kurzen Nachſchimmern entſchwand. Während
der Finſternis, ehe drinnen die Lichter wieder,

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[89/0095] Hoͤhen und die Waſſer uͤbergoldete — da der ferne Mond-Tempel wie ein Sonnen-Tempel gluͤhte — da die bleiche Bildſäule am See ſich in lebendigem Roſenlichte badete und aus- einander bluͤhte — da das angezuͤndete Fruͤh- roth des Lebens an der einſamen-Abend- und Nacht-Welt ploͤtzlich einen bevoͤlkerten Luſt- garten voll wandelnde Menſchen aufdeckte. — Und doch, Theoda, iſt dein Irrthum kei- ner! Was ſind denn Berge und Lichter und Fluren, ohne ein liebendes Herz und ein ge- liebtes? Nur wir beſeelen und entſeelen den Leib der Welt. Iſt ein Garten eine engere Landſchaft, ſo iſt die Liebe nur ein verkleiner- tes All; in jeder Freudenthraͤne wohnt die große Sonne rund und licht und in Farben eingefaßt. Lange noch immer war’s Theoda’n, als wenn die Stralen hineinweheten und zitterten. Die Sonne ſenkte ſich hoͤher an der ſeltſamen Klippendecke hinweg, bis alles mit einem kurzen Nachſchimmern entſchwand. Während der Finſternis, ehe drinnen die Lichter wieder,

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/95>, abgerufen am 27.04.2024.