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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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daß er ein unschuldiges Frauenzimmerchen
durch seinen misverstandnen Namens-Wett-
kampf mit Nießen zu einer Etourderie hinge-
lockt, und sie mit Gewalt in die Bußzellen der
Einsamkeit gejagt. "Die Wunden ihres Ehr-
gefühls, sagt' er sich, müssen sie ja noch hei-
ßer schmerzen als einen Mann die des seini-
gen; und ich wäre ja ein Hund, wenn ich
nicht alles thäte, was ich könnte und nicht so
weit wegbliebe von ihr, als nur menschenmög-
lich," Dennoch fuhr er oft mitten aus den
kältesten Rechnungen -- die ihn eben weniger
zerstreuten, weil sie ihn weniger anstrengten
als einen andern -- zähne-knirschend und
schmerzen-glühend auf vom Buche (er hatte
unbewußt fortgerechnet und fortgefühlt) und
sagte: "o mein Gott! was ist denn? Dieß
hole der Teufel, o Gott!"

Ein redlicher Kriegs- und Meßkünstler von
Jüngling, dem bisher das leichte Blut so un-
gedämmt durch das still-offne Herz geflogen,
weiß gar nicht, wie er sich einmal einen ganz
andern Gang und Schlag erklären und erleich-

daß er ein unſchuldiges Frauenzimmerchen
durch ſeinen misverſtandnen Namens-Wett-
kampf mit Nießen zu einer Etourderie hinge-
lockt, und ſie mit Gewalt in die Bußzellen der
Einſamkeit gejagt. „Die Wunden ihres Ehr-
gefuͤhls, ſagt’ er ſich, muͤſſen ſie ja noch hei-
ßer ſchmerzen als einen Mann die des ſeini-
gen; und ich waͤre ja ein Hund, wenn ich
nicht alles thaͤte, was ich koͤnnte und nicht ſo
weit wegbliebe von ihr, als nur menſchenmög-
lich,” Dennoch fuhr er oft mitten aus den
kaͤlteſten Rechnungen — die ihn eben weniger
zerſtreuten, weil ſie ihn weniger anſtrengten
als einen andern — zaͤhne-knirſchend und
ſchmerzen-gluͤhend auf vom Buche (er hatte
unbewußt fortgerechnet und fortgefuͤhlt) und
ſagte: „o mein Gott! was iſt denn? Dieß
hole der Teufel, o Gott!”

Ein redlicher Kriegs- und Meßkuͤnſtler von
Juͤngling, dem bisher das leichte Blut ſo un-
gedaͤmmt durch das ſtill-offne Herz geflogen,
weiß gar nicht, wie er ſich einmal einen ganz
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[55/0061] daß er ein unſchuldiges Frauenzimmerchen durch ſeinen misverſtandnen Namens-Wett- kampf mit Nießen zu einer Etourderie hinge- lockt, und ſie mit Gewalt in die Bußzellen der Einſamkeit gejagt. „Die Wunden ihres Ehr- gefuͤhls, ſagt’ er ſich, muͤſſen ſie ja noch hei- ßer ſchmerzen als einen Mann die des ſeini- gen; und ich waͤre ja ein Hund, wenn ich nicht alles thaͤte, was ich koͤnnte und nicht ſo weit wegbliebe von ihr, als nur menſchenmög- lich,” Dennoch fuhr er oft mitten aus den kaͤlteſten Rechnungen — die ihn eben weniger zerſtreuten, weil ſie ihn weniger anſtrengten als einen andern — zaͤhne-knirſchend und ſchmerzen-gluͤhend auf vom Buche (er hatte unbewußt fortgerechnet und fortgefuͤhlt) und ſagte: „o mein Gott! was iſt denn? Dieß hole der Teufel, o Gott!” Ein redlicher Kriegs- und Meßkuͤnſtler von Juͤngling, dem bisher das leichte Blut ſo un- gedaͤmmt durch das ſtill-offne Herz geflogen, weiß gar nicht, wie er ſich einmal einen ganz andern Gang und Schlag erklären und erleich-

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/61>, abgerufen am 28.04.2024.