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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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der Musen doch mitten unter seinem Kardi-
nals-Gefolge, aus angeborner Gutmüthigkeit,
statt der Bannstralen sanfte Sonnenblicke von
Zeit zu Zeit auf die verlassene Geliebte, um
wie er hoffte, sie dadurch unter ihrer Last, wo
möglich aufrecht zu erhalten.

Hingegen den Hauptmann sah er kaum
an -- erstlich vor Ingrimm -- zweytens weil
er ihm nicht sah oder selten. Der gute Meß-
künstler -- dem sich jetzt das Leben mit einem
neuen Flor bezogen hatte und der Brunnen-
Lärm sich zur Trauermusik einer Soldatenleiche
gedämpft -- war nirgends zu sehen, als über
den unzähligen Druckfehlern seines mathema-
tischen Kästners, welche er endlich einmal,
da er sie bisher immer nur improvisierend und
im Kopfe umgebessert, von Band zu Band
mit der Feder ausmusterte. So wenig er nun
Ursache hatte, da zu bleiben, so wenig hatt' er
Kraft, fortzureisen. Bracht' er sich selber auf
die Folter, und auf die peinliche Frage, was
ihn denn plage und nage, so fragte er nichts
heraus als dieß, es gehe ihm gar zu nahe,

der Muſen doch mitten unter ſeinem Kardi-
nals-Gefolge, aus angeborner Gutmuͤthigkeit,
ſtatt der Bannſtralen ſanfte Sonnenblicke von
Zeit zu Zeit auf die verlaſſene Geliebte, um
wie er hoffte, ſie dadurch unter ihrer Laſt, wo
moͤglich aufrecht zu erhalten.

Hingegen den Hauptmann ſah er kaum
an — erſtlich vor Ingrimm — zweytens weil
er ihm nicht ſah oder ſelten. Der gute Meß-
künſtler — dem ſich jetzt das Leben mit einem
neuen Flor bezogen hatte und der Brunnen-
Laͤrm ſich zur Trauermuſik einer Soldatenleiche
gedaͤmpft — war nirgends zu ſehen, als über
den unzaͤhligen Druckfehlern ſeines mathema-
tiſchen Kaͤſtners, welche er endlich einmal,
da er ſie bisher immer nur improviſierend und
im Kopfe umgebeſſert, von Band zu Band
mit der Feder ausmuſterte. So wenig er nun
Urſache hatte, da zu bleiben, ſo wenig hatt’ er
Kraft, fortzureiſen. Bracht’ er ſich ſelber auf
die Folter, und auf die peinliche Frage, was
ihn denn plage und nage, ſo fragte er nichts
heraus als dieß, es gehe ihm gar zu nahe,

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[54/0060] der Muſen doch mitten unter ſeinem Kardi- nals-Gefolge, aus angeborner Gutmuͤthigkeit, ſtatt der Bannſtralen ſanfte Sonnenblicke von Zeit zu Zeit auf die verlaſſene Geliebte, um wie er hoffte, ſie dadurch unter ihrer Laſt, wo moͤglich aufrecht zu erhalten. Hingegen den Hauptmann ſah er kaum an — erſtlich vor Ingrimm — zweytens weil er ihm nicht ſah oder ſelten. Der gute Meß- künſtler — dem ſich jetzt das Leben mit einem neuen Flor bezogen hatte und der Brunnen- Laͤrm ſich zur Trauermuſik einer Soldatenleiche gedaͤmpft — war nirgends zu ſehen, als über den unzaͤhligen Druckfehlern ſeines mathema- tiſchen Kaͤſtners, welche er endlich einmal, da er ſie bisher immer nur improviſierend und im Kopfe umgebeſſert, von Band zu Band mit der Feder ausmuſterte. So wenig er nun Urſache hatte, da zu bleiben, ſo wenig hatt’ er Kraft, fortzureiſen. Bracht’ er ſich ſelber auf die Folter, und auf die peinliche Frage, was ihn denn plage und nage, ſo fragte er nichts heraus als dieß, es gehe ihm gar zu nahe,

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/60>, abgerufen am 28.04.2024.