kann. Warum wendet man überhaupt nicht die öffentlichen Gebäude, die doch einmal ge- mauert werden müssen, zu den nöthigsten Ehrenpforten großer Männer an, und adres- sirt blos das Portal? Die Nazion suche doch für ein Spinnhaus, das sie erbauet, ei- nen großen Theologen und zeige, wie Nazio- nen danken -- für ein Schlacht- oder ein Gebeinhaus einen Generalissimus -- ein Hatz- haus, ein Findelhaus ehre einen großen Hu- manisten und der Pranger einen gewöhnlichen Rezensenten -- eine Irrenanstalt greife nach ihrem Philosophen, und für den seltenen Dich- ter wird sich immer ein Stockhaus, Hospital und Armenhaus mit einem Eingange finden. Auf diese Weise dürfte vielleicht die Vermäh- lung der Schönheit mit dem Nutzen, der Un- sterblichkeit mit der Sterblichkeit wohl so weit fortzutreiben seyn, daß wir sogar Götter- oder Heroenstatuen als Schnellgalgen für Leute kur- zer Statur oder als Pranger für langgewach- sene verbrauchen lernten.
Erbärmlich ists überhaupt, daß man so viel
kann. Warum wendet man uͤberhaupt nicht die oͤffentlichen Gebaͤude, die doch einmal ge- mauert werden muͤſſen, zu den nöthigſten Ehrenpforten großer Maͤnner an, und adreſ- ſirt blos das Portal? Die Nazion ſuche doch für ein Spinnhaus, das ſie erbauet, ei- nen großen Theologen und zeige, wie Nazio- nen danken — fuͤr ein Schlacht- oder ein Gebeinhaus einen Generaliſſimus — ein Hatz- haus, ein Findelhaus ehre einen großen Hu- maniſten und der Pranger einen gewoͤhnlichen Rezenſenten — eine Irrenanſtalt greife nach ihrem Philoſophen, und fuͤr den ſeltenen Dich- ter wird ſich immer ein Stockhaus, Hoſpital und Armenhaus mit einem Eingange finden. Auf dieſe Weiſe duͤrfte vielleicht die Vermaͤh- lung der Schönheit mit dem Nutzen, der Un- ſterblichkeit mit der Sterblichkeit wohl ſo weit fortzutreiben ſeyn, daß wir ſogar Goͤtter- oder Heroenſtatuen als Schnellgalgen fuͤr Leute kur- zer Statur oder als Pranger fuͤr langgewach- ſene verbrauchen lernten.
Erbaͤrmlich iſts uͤberhaupt, daß man ſo viel
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kann. Warum wendet man uͤberhaupt nicht
die oͤffentlichen Gebaͤude, die doch einmal ge-
mauert werden muͤſſen, zu den nöthigſten
Ehrenpforten großer Maͤnner an, und adreſ-
ſirt blos das Portal? Die Nazion ſuche
doch für ein Spinnhaus, das ſie erbauet, ei-
nen großen Theologen und zeige, wie Nazio-
nen danken — fuͤr ein Schlacht- oder ein
Gebeinhaus einen Generaliſſimus — ein Hatz-
haus, ein Findelhaus ehre einen großen Hu-
maniſten und der Pranger einen gewoͤhnlichen
Rezenſenten — eine Irrenanſtalt greife nach
ihrem Philoſophen, und fuͤr den ſeltenen Dich-
ter wird ſich immer ein Stockhaus, Hoſpital
und Armenhaus mit einem Eingange finden.
Auf dieſe Weiſe duͤrfte vielleicht die Vermaͤh-
lung der Schönheit mit dem Nutzen, der Un-
ſterblichkeit mit der Sterblichkeit wohl ſo weit
fortzutreiben ſeyn, daß wir ſogar Goͤtter- oder
Heroenſtatuen als Schnellgalgen fuͤr Leute kur-
zer Statur oder als Pranger fuͤr langgewach-
ſene verbrauchen lernten.
Erbaͤrmlich iſts uͤberhaupt, daß man ſo viel
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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/169>, abgerufen am 22.11.2024.
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