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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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Rechtschaffnen, der es mit mir so redlich meint,
als du, Stryk! -- Herr Brunnenarzt, ich
sage Du zu Ihnen, wie der Russe zu seinem
Kaiser. Einen Kuß, aber einen Judas den
zweyten! Denn Du weißt aus dem neuen
Testament, wo der Brief des zweyten Judas
steht. Der erste Judas war nie mein Mann. --

Strykius gab Katzenbergern einen Bühnen-
Kuß. "Trinke zu, heitze ein, zünd' an, mein
Zünd-Stryk! Ohne Wein war dem Urdeut-
schen kein Vertrag heilig. -- O, wenn ich
daran denke! Ein Freund ist's höchste. Ich
sage Dir, Stryk, einst hatt' ich einen, und
wir herzten einander, und er mich -- alles
that ich für ihn, und machte meinen Schnitt
für ihn -- ich hätt' in seinem Namen gestoh-
len. Halt, dacht' ich, hältst Du auch Stich?
Ich wollte ja in der Eile etwas Ihnen dar-
stellen; sage mirs, Bruder?" -- Das Bewäh-
ren Ihres mir unbekannten Freundes, versetzte
der Brunnendoktor. "Und dieß willst du besser
wissen, als ich? Stich, sagt' ich ja vorhin,
hält er, wenn er sich bewährt und seinem

Rechtſchaffnen, der es mit mir ſo redlich meint,
als du, Stryk! — Herr Brunnenarzt, ich
ſage Du zu Ihnen, wie der Ruſſe zu ſeinem
Kaiſer. Einen Kuß, aber einen Judas den
zweyten! Denn Du weißt aus dem neuen
Teſtament, wo der Brief des zweyten Judas
ſteht. Der erſte Judas war nie mein Mann. —

Strykius gab Katzenbergern einen Buͤhnen-
Kuß. „Trinke zu, heitze ein, zuͤnd’ an, mein
Zuͤnd-Stryk! Ohne Wein war dem Urdeut-
ſchen kein Vertrag heilig. — O, wenn ich
daran denke! Ein Freund iſt’s höchſte. Ich
ſage Dir, Stryk, einſt hatt’ ich einen, und
wir herzten einander, und er mich — alles
that ich fuͤr ihn, und machte meinen Schnitt
fuͤr ihn — ich haͤtt’ in ſeinem Namen geſtoh-
len. Halt, dacht’ ich, haͤltſt Du auch Stich?
Ich wollte ja in der Eile etwas Ihnen dar-
ſtellen; ſage mirs, Bruder?“ — Das Bewaͤh-
ren Ihres mir unbekannten Freundes, verſetzte
der Brunnendoktor. „Und dieß willſt du beſſer
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[110/0116] Rechtſchaffnen, der es mit mir ſo redlich meint, als du, Stryk! — Herr Brunnenarzt, ich ſage Du zu Ihnen, wie der Ruſſe zu ſeinem Kaiſer. Einen Kuß, aber einen Judas den zweyten! Denn Du weißt aus dem neuen Teſtament, wo der Brief des zweyten Judas ſteht. Der erſte Judas war nie mein Mann. — Strykius gab Katzenbergern einen Buͤhnen- Kuß. „Trinke zu, heitze ein, zuͤnd’ an, mein Zuͤnd-Stryk! Ohne Wein war dem Urdeut- ſchen kein Vertrag heilig. — O, wenn ich daran denke! Ein Freund iſt’s höchſte. Ich ſage Dir, Stryk, einſt hatt’ ich einen, und wir herzten einander, und er mich — alles that ich fuͤr ihn, und machte meinen Schnitt fuͤr ihn — ich haͤtt’ in ſeinem Namen geſtoh- len. Halt, dacht’ ich, haͤltſt Du auch Stich? Ich wollte ja in der Eile etwas Ihnen dar- ſtellen; ſage mirs, Bruder?“ — Das Bewaͤh- ren Ihres mir unbekannten Freundes, verſetzte der Brunnendoktor. „Und dieß willſt du beſſer wiſſen, als ich? Stich, ſagt’ ich ja vorhin, haͤlt er, wenn er ſich bewaͤhrt und ſeinem

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/116>, abgerufen am 25.11.2024.