Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

seine Achataugen aus Neapel verkündigten und such¬
ten ein liebendes Herz; sein blondes Mousselin-Ge¬
sicht kontrastirte wie Hof mit Krieg, gegen Flamins
braunes elastisches den zwei Gluthwangen als Grund
dienendes Angesicht. -- Uebrigens war Flamins See¬
le ein Spiegel, der unter der Sonne nur mit einem
einzigen Punkte flammte; an Viktors seiner aber
waren mehrere Kräfte zu schimmernden Facetten aus¬
geschliffen. Klotilde hatte mit ihrem Bruder dieses
ganze Feuerzeug und diese Schwefelminen des Tem¬
peraments gemein; aber ihre Vernunft deckte alles
zu -- der reissende Blutstrom, der sich bei ihm von
Felsen zu Felsen schlug, zog bei ihr schon still und
glatt durch Blumenwiesen.

Ich säh' es gern, er erneuerte wieder mit dem
Regierungsrath den Kontrakt der Freundschaft: ich
würde dann seine Pfingst-Reise nach Maienthal zu
beschreiben kriegen, die vielleicht das Septleva und
das Beste wird, wozu es noch der menschliche Ver¬
stand gebracht hat. Aus diesem Septleva wird aber
nichts, wenn sie nicht wieder Friede machen: neben
jede Blume in Maienthal, neben jede Entzückung
würde sich dem Freunde die abgegrämte Gestalt des
Freundes stellen und fragen: "kannst du so glücklich
"seyn da ich's so wenig bin?" --

Gescheuter wär' es, es wären Mönche oder Hof¬
leute: dann wäre beiden zuzumuthen, daß sie, da

ſeine Achataugen aus Neapel verkuͤndigten und ſuch¬
ten ein liebendes Herz; ſein blondes Mouſſelin-Ge¬
ſicht kontraſtirte wie Hof mit Krieg, gegen Flamins
braunes elaſtiſches den zwei Gluthwangen als Grund
dienendes Angeſicht. — Uebrigens war Flamins See¬
le ein Spiegel, der unter der Sonne nur mit einem
einzigen Punkte flammte; an Viktors ſeiner aber
waren mehrere Kraͤfte zu ſchimmernden Facetten aus¬
geſchliffen. Klotilde hatte mit ihrem Bruder dieſes
ganze Feuerzeug und dieſe Schwefelminen des Tem¬
peraments gemein; aber ihre Vernunft deckte alles
zu — der reiſſende Blutſtrom, der ſich bei ihm von
Felſen zu Felſen ſchlug, zog bei ihr ſchon ſtill und
glatt durch Blumenwieſen.

Ich ſaͤh' es gern, er erneuerte wieder mit dem
Regierungsrath den Kontrakt der Freundſchaft: ich
wuͤrde dann ſeine Pfingſt-Reiſe nach Maienthal zu
beſchreiben kriegen, die vielleicht das Septleva und
das Beſte wird, wozu es noch der menſchliche Ver¬
ſtand gebracht hat. Aus dieſem Septleva wird aber
nichts, wenn ſie nicht wieder Friede machen: neben
jede Blume in Maienthal, neben jede Entzuͤckung
wuͤrde ſich dem Freunde die abgegraͤmte Geſtalt des
Freundes ſtellen und fragen: »kannſt du ſo gluͤcklich
»ſeyn da ich's ſo wenig bin?» —

Geſcheuter waͤr' es, es waͤren Moͤnche oder Hof¬
leute: dann waͤre beiden zuzumuthen, daß ſie, da

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0094" n="84"/>
&#x017F;eine Achataugen aus Neapel verku&#x0364;ndigten und &#x017F;uch¬<lb/>
ten ein liebendes Herz; &#x017F;ein blondes Mou&#x017F;&#x017F;elin-Ge¬<lb/>
&#x017F;icht kontra&#x017F;tirte wie Hof mit Krieg, gegen Flamins<lb/>
braunes ela&#x017F;ti&#x017F;ches den zwei Gluthwangen als Grund<lb/>
dienendes Ange&#x017F;icht. &#x2014; Uebrigens war Flamins See¬<lb/>
le ein Spiegel, der unter der Sonne nur mit einem<lb/>
einzigen Punkte flammte; an Viktors &#x017F;einer aber<lb/>
waren mehrere Kra&#x0364;fte zu &#x017F;chimmernden Facetten aus¬<lb/>
ge&#x017F;chliffen. Klotilde hatte mit ihrem Bruder die&#x017F;es<lb/>
ganze Feuerzeug und die&#x017F;e Schwefelminen des Tem¬<lb/>
peraments gemein; aber ihre Vernunft deckte alles<lb/>
zu &#x2014; der rei&#x017F;&#x017F;ende Blut&#x017F;trom, der &#x017F;ich bei ihm von<lb/>
Fel&#x017F;en zu Fel&#x017F;en &#x017F;chlug, zog bei ihr &#x017F;chon &#x017F;till und<lb/>
glatt durch Blumenwie&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Ich &#x017F;a&#x0364;h' es gern, er erneuerte wieder mit dem<lb/>
Regierungsrath den Kontrakt der Freund&#x017F;chaft: ich<lb/>
wu&#x0364;rde dann &#x017F;eine Pfing&#x017F;t-Rei&#x017F;e nach Maienthal zu<lb/>
be&#x017F;chreiben kriegen, die vielleicht das Septleva und<lb/>
das Be&#x017F;te wird, wozu es noch der men&#x017F;chliche Ver¬<lb/>
&#x017F;tand gebracht hat. Aus die&#x017F;em Septleva wird aber<lb/>
nichts, wenn &#x017F;ie nicht wieder Friede machen: neben<lb/>
jede Blume in Maienthal, neben jede Entzu&#x0364;ckung<lb/>
wu&#x0364;rde &#x017F;ich dem Freunde die abgegra&#x0364;mte Ge&#x017F;talt des<lb/>
Freundes &#x017F;tellen und fragen: »kann&#x017F;t du &#x017F;o glu&#x0364;cklich<lb/>
»&#x017F;eyn da ich's &#x017F;o wenig bin?» &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ge&#x017F;cheuter wa&#x0364;r' es, es wa&#x0364;ren Mo&#x0364;nche oder Hof¬<lb/>
leute: dann wa&#x0364;re beiden zuzumuthen, daß &#x017F;ie, da<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0094] ſeine Achataugen aus Neapel verkuͤndigten und ſuch¬ ten ein liebendes Herz; ſein blondes Mouſſelin-Ge¬ ſicht kontraſtirte wie Hof mit Krieg, gegen Flamins braunes elaſtiſches den zwei Gluthwangen als Grund dienendes Angeſicht. — Uebrigens war Flamins See¬ le ein Spiegel, der unter der Sonne nur mit einem einzigen Punkte flammte; an Viktors ſeiner aber waren mehrere Kraͤfte zu ſchimmernden Facetten aus¬ geſchliffen. Klotilde hatte mit ihrem Bruder dieſes ganze Feuerzeug und dieſe Schwefelminen des Tem¬ peraments gemein; aber ihre Vernunft deckte alles zu — der reiſſende Blutſtrom, der ſich bei ihm von Felſen zu Felſen ſchlug, zog bei ihr ſchon ſtill und glatt durch Blumenwieſen. Ich ſaͤh' es gern, er erneuerte wieder mit dem Regierungsrath den Kontrakt der Freundſchaft: ich wuͤrde dann ſeine Pfingſt-Reiſe nach Maienthal zu beſchreiben kriegen, die vielleicht das Septleva und das Beſte wird, wozu es noch der menſchliche Ver¬ ſtand gebracht hat. Aus dieſem Septleva wird aber nichts, wenn ſie nicht wieder Friede machen: neben jede Blume in Maienthal, neben jede Entzuͤckung wuͤrde ſich dem Freunde die abgegraͤmte Geſtalt des Freundes ſtellen und fragen: »kannſt du ſo gluͤcklich »ſeyn da ich's ſo wenig bin?» — Geſcheuter waͤr' es, es waͤren Moͤnche oder Hof¬ leute: dann waͤre beiden zuzumuthen, daß ſie, da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/94
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/94>, abgerufen am 21.11.2024.