sein erweichtes Herz aus einander: "vor Einem Jahre, an diesem Morgen, ging dir dein Flamin entgegen und vergoß an deiner glühenden Brust so viele Freudenthränen -- und am Ende des heutigen Tages zog er dich wieder an sein Herz und sagte gleichsam ahndend; vergiß mich nicht, verrath mich nicht und wenn du mich verlassen willst, so laß mich mit dir untergehen!" --
"O du Treuer (sagten alle seine Gedanken,) wie "tröstet es mich heute, daß ich einmal alle meine "Wünsche gern den deinen aufgeopfert habe, um dir "getreu zu bleiben §) -- Nein, ich kann ihm nichts "verbergen, ich gehe jetzt zu ihm." -- Er ging ge¬ rade Flamin, um (wiewohl ohne Meineid gegen den Lord und mit Schonung der Eifersucht) es zu beken¬ nen, daß er auf Pfingsten nach Maienthal verreise. Sein auseinander gegangnes Herz bedurfte ein entge¬ gen weinendes Auge so sehr -- sein feines Ehrgefühl verschmähte es so sehr, eine fremde Reise znr spani¬ schen Wand der eignen zu machen -- seiner erneuer¬ ten Liebe that das kleinste Verhehlen vor seinem Freunde so weh -- Matthieu war aus diesem him¬
§) Es war, als er in der Laube mit seinem Vater für Klotil¬ dens Verbindung mit Flamin sprach -- und als er sich vorsetzte, vor derselben sogar ihre Freundschaft zu ent¬ behren.
ſein erweichtes Herz aus einander: »vor Einem Jahre, an dieſem Morgen, ging dir dein Flamin entgegen und vergoß an deiner gluͤhenden Bruſt ſo viele Freudenthraͤnen — und am Ende des heutigen Tages zog er dich wieder an ſein Herz und ſagte gleichſam ahndend; vergiß mich nicht, verrath mich nicht und wenn du mich verlaſſen willſt, ſo laß mich mit dir untergehen!« —
»O du Treuer (ſagten alle ſeine Gedanken,) wie »troͤſtet es mich heute, daß ich einmal alle meine »Wuͤnſche gern den deinen aufgeopfert habe, um dir »getreu zu bleiben §) — Nein, ich kann ihm nichts »verbergen, ich gehe jetzt zu ihm.« — Er ging ge¬ rade Flamin, um (wiewohl ohne Meineid gegen den Lord und mit Schonung der Eiferſucht) es zu beken¬ nen, daß er auf Pfingſten nach Maienthal verreiſe. Sein auseinander gegangnes Herz bedurfte ein entge¬ gen weinendes Auge ſo ſehr — ſein feines Ehrgefuͤhl verſchmaͤhte es ſo ſehr, eine fremde Reiſe znr ſpani¬ ſchen Wand der eignen zu machen — ſeiner erneuer¬ ten Liebe that das kleinſte Verhehlen vor ſeinem Freunde ſo weh — Matthieu war aus dieſem him¬
§) Es war, als er in der Laube mit ſeinem Vater für Klotil¬ dens Verbindung mit Flamin ſprach — und als er ſich vorſetzte, vor derſelben ſogar ihre Freundſchaft zu ent¬ behren.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0081"n="71"/>ſein erweichtes Herz aus einander: »vor Einem<lb/>
Jahre, an dieſem Morgen, ging dir dein Flamin<lb/>
entgegen und vergoß an deiner gluͤhenden Bruſt ſo<lb/>
viele Freudenthraͤnen — und am Ende des heutigen<lb/>
Tages zog er dich wieder an ſein Herz und ſagte<lb/>
gleichſam ahndend; vergiß mich nicht, verrath mich<lb/>
nicht und wenn du mich verlaſſen willſt, ſo laß mich<lb/>
mit dir untergehen!« —</p><lb/><p>»O du Treuer (ſagten alle ſeine Gedanken,) wie<lb/>
»troͤſtet es mich heute, daß ich einmal alle meine<lb/>
»Wuͤnſche gern den deinen aufgeopfert habe, um dir<lb/>
»getreu zu bleiben <noteplace="foot"n="§)">Es war, als er in der Laube mit ſeinem Vater für Klotil¬<lb/>
dens Verbindung mit Flamin ſprach — und als er ſich<lb/>
vorſetzte, <hirendition="#g">vor</hi> derſelben ſogar ihre Freundſchaft zu ent¬<lb/>
behren.</note>— Nein, ich kann ihm nichts<lb/>
»verbergen, ich gehe jetzt zu ihm.« — Er ging ge¬<lb/>
rade Flamin, um (wiewohl ohne Meineid gegen den<lb/>
Lord und mit Schonung der Eiferſucht) es zu beken¬<lb/>
nen, daß er auf Pfingſten nach Maienthal verreiſe.<lb/>
Sein auseinander gegangnes Herz bedurfte ein entge¬<lb/>
gen weinendes Auge ſo ſehr —ſein feines Ehrgefuͤhl<lb/>
verſchmaͤhte es ſo ſehr, eine fremde Reiſe znr ſpani¬<lb/>ſchen Wand der eignen zu machen —ſeiner erneuer¬<lb/>
ten Liebe that das kleinſte Verhehlen vor ſeinem<lb/>
Freunde ſo weh — Matthieu war aus dieſem him¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[71/0081]
ſein erweichtes Herz aus einander: »vor Einem
Jahre, an dieſem Morgen, ging dir dein Flamin
entgegen und vergoß an deiner gluͤhenden Bruſt ſo
viele Freudenthraͤnen — und am Ende des heutigen
Tages zog er dich wieder an ſein Herz und ſagte
gleichſam ahndend; vergiß mich nicht, verrath mich
nicht und wenn du mich verlaſſen willſt, ſo laß mich
mit dir untergehen!« —
»O du Treuer (ſagten alle ſeine Gedanken,) wie
»troͤſtet es mich heute, daß ich einmal alle meine
»Wuͤnſche gern den deinen aufgeopfert habe, um dir
»getreu zu bleiben §) — Nein, ich kann ihm nichts
»verbergen, ich gehe jetzt zu ihm.« — Er ging ge¬
rade Flamin, um (wiewohl ohne Meineid gegen den
Lord und mit Schonung der Eiferſucht) es zu beken¬
nen, daß er auf Pfingſten nach Maienthal verreiſe.
Sein auseinander gegangnes Herz bedurfte ein entge¬
gen weinendes Auge ſo ſehr — ſein feines Ehrgefuͤhl
verſchmaͤhte es ſo ſehr, eine fremde Reiſe znr ſpani¬
ſchen Wand der eignen zu machen — ſeiner erneuer¬
ten Liebe that das kleinſte Verhehlen vor ſeinem
Freunde ſo weh — Matthieu war aus dieſem him¬
§) Es war, als er in der Laube mit ſeinem Vater für Klotil¬
dens Verbindung mit Flamin ſprach — und als er ſich
vorſetzte, vor derſelben ſogar ihre Freundſchaft zu ent¬
behren.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/81>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.