sich in die Laube des Pfarrgartens ein: in der Lau¬ be hatt' er Klotilden die ersten Thränen der Liebe gegeben. -- Das Pfarrhaus, das Schloß, die Warte, die zwei Gärten lagen wie verfallne Ritter¬ schlösser um ihn, aus denen alle Freuden und Be¬ wohner längst gezogen sind! -- Alles so still, so ste¬ hend um ihn -- die Bienen saßen stumm auf dem Flugbrett neben hingerichteten Drohnen -- sogar der Mond und ein Wölkgen standen fest neben einander -- die Wachsmumie war mit dem starren Gesicht gegen das stille Zimmer gewandt! -- Endlich kam die Pfarrerin durch den Garten, um ins Schloß zu gehen. Er wußte, wie sehr sie ihn wieder lieben mußte, da seine Treue gegen den eifersüchtigen Fla¬ min jetzt ans Licht gekommen war. O sie sah so müde und kränklich aus, so rothgeweint und ver¬ blutet und veraltet! -- Ihn dauerte es, daß er erst ein gleichgültiges Wort sagen mußte, um sie in die Laube zu rufen. Als sie hineintrat: erhob er sich, und bückte sich tief und legte sich auslöschend an die theuere Brust, hinter der eine Welt voll Seufzer und ein Herz voll Liebe war und sagte: "O Mutter ich bin Dein Sohn -- nimm mich auf, "dein Sohn hat nichts, er liebt nichts mehr auf der "ganzen weiten Erde nichts mehr als dich -- O "liebe Mutter, ich habe viel verloren bis ich dich "fand -- Warum siehst du mich so an? -- Wenn
ſich in die Laube des Pfarrgartens ein: in der Lau¬ be hatt' er Klotilden die erſten Thraͤnen der Liebe gegeben. — Das Pfarrhaus, das Schloß, die Warte, die zwei Gaͤrten lagen wie verfallne Ritter¬ ſchloͤſſer um ihn, aus denen alle Freuden und Be¬ wohner laͤngſt gezogen ſind! — Alles ſo ſtill, ſo ſte¬ hend um ihn — die Bienen ſaßen ſtumm auf dem Flugbrett neben hingerichteten Drohnen — ſogar der Mond und ein Woͤlkgen ſtanden feſt neben einander — die Wachsmumie war mit dem ſtarren Geſicht gegen das ſtille Zimmer gewandt! — Endlich kam die Pfarrerin durch den Garten, um ins Schloß zu gehen. Er wußte, wie ſehr ſie ihn wieder lieben mußte, da ſeine Treue gegen den eiferſuͤchtigen Fla¬ min jetzt ans Licht gekommen war. O ſie ſah ſo muͤde und kraͤnklich aus, ſo rothgeweint und ver¬ blutet und veraltet! — Ihn dauerte es, daß er erſt ein gleichguͤltiges Wort ſagen mußte, um ſie in die Laube zu rufen. Als ſie hineintrat: erhob er ſich, und buͤckte ſich tief und legte ſich ausloͤſchend an die theuere Bruſt, hinter der eine Welt voll Seufzer und ein Herz voll Liebe war und ſagte: »O Mutter ich bin Dein Sohn — nimm mich auf, »dein Sohn hat nichts, er liebt nichts mehr auf der »ganzen weiten Erde nichts mehr als dich — O »liebe Mutter, ich habe viel verloren bis ich dich »fand — Warum ſiehſt du mich ſo an? — Wenn
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ſich in die Laube des Pfarrgartens ein: in der Lau¬
be hatt' er Klotilden die erſten Thraͤnen der Liebe
gegeben. — Das Pfarrhaus, das Schloß, die
Warte, die zwei Gaͤrten lagen wie verfallne Ritter¬
ſchloͤſſer um ihn, aus denen alle Freuden und Be¬
wohner laͤngſt gezogen ſind! — Alles ſo ſtill, ſo ſte¬
hend um ihn — die Bienen ſaßen ſtumm auf dem
Flugbrett neben hingerichteten Drohnen — ſogar der
Mond und ein Woͤlkgen ſtanden feſt neben einander
— die Wachsmumie war mit dem ſtarren Geſicht
gegen das ſtille Zimmer gewandt! — Endlich kam
die Pfarrerin durch den Garten, um ins Schloß zu
gehen. Er wußte, wie ſehr ſie ihn wieder lieben
mußte, da ſeine Treue gegen den eiferſuͤchtigen Fla¬
min jetzt ans Licht gekommen war. O ſie ſah ſo
muͤde und kraͤnklich aus, ſo rothgeweint und ver¬
blutet und veraltet! — Ihn dauerte es, daß er
erſt ein gleichguͤltiges Wort ſagen mußte, um ſie
in die Laube zu rufen. Als ſie hineintrat: erhob er
ſich, und buͤckte ſich tief und legte ſich ausloͤſchend
an die theuere Bruſt, hinter der eine Welt voll
Seufzer und ein Herz voll Liebe war und ſagte:
»O Mutter ich bin Dein Sohn — nimm mich auf,
»dein Sohn hat nichts, er liebt nichts mehr auf der
»ganzen weiten Erde nichts mehr als dich — O
»liebe Mutter, ich habe viel verloren bis ich dich
»fand — Warum ſiehſt du mich ſo an? — Wenn
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/407>, abgerufen am 22.11.2024.
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