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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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Messer reden: "o Jammer über allen Jammer --
"scheer' Er doch fixer zu, mein H. Feldscheer --
"Frau, heule nur wenigstens" -- Er schwenkte in
seiner verhaltenen Pein die Hand schlotternd, um
den Arm und das Kinn nicht zu erschüttern: "Um
"Gottes Willen, kann Er mich denn nicht hurtig
"schinden? -- Er hat einen armen Hiob unter
"dem Messer -- es ist mein letzter Bart -- man
"wird mich und mein Haushalten gefänglich einzie¬
"hen -- Du Rabenkind, dein Vater kann deinet¬
"wegen dekollirt werden, du Kain du!" Er
lief an alle Fenster: "Daß Gott erbarm'! das wird
"schon im ganzen Pfarrspiel ruchtbar -- Siehst du
"Frau, einen solchen Satanas haben wir mit einan¬
"der erzogen und geboren, du bist schuld -- Was
"lauscht Er denn da, scheer' Er sich einmal fort zu
"seinen Kunden, H. Feldscheer, und schwärz' er sei¬
"nen Seelenhirten nirgends an, und breit' ers nicht
"aus" -- -- Jetzt kam die sanfte Klotilde, nieder¬
gesenkt und mit dem Schnupftuch in der Hand,
weil sie errieth, was das Herz einer untröstlichen
Mutter bedürfe, nämlich zwei liebende Arme, als ei¬
nen Verband um die zerschmetterte Brust, und tau¬
send Balsamtropfen fremder Thränen auf das unter
den Splittern schwellende Herz. Sie ging auf die
Mutter mit ofnen Armen zu und schloß sie darin
sprachlos weinend ein. Der närrische Pfarrer fiel

Meſſer reden: »o Jammer uͤber allen Jammer —
»ſcheer' Er doch fixer zu, mein H. Feldſcheer —
»Frau, heule nur wenigſtens» — Er ſchwenkte in
ſeiner verhaltenen Pein die Hand ſchlotternd, um
den Arm und das Kinn nicht zu erſchuͤttern: »Um
»Gottes Willen, kann Er mich denn nicht hurtig
»ſchinden? — Er hat einen armen Hiob unter
»dem Meſſer — es iſt mein letzter Bart — man
»wird mich und mein Haushalten gefaͤnglich einzie¬
»hen — Du Rabenkind, dein Vater kann deinet¬
»wegen dekollirt werden, du Kain du!» Er
lief an alle Fenſter: »Daß Gott erbarm'! das wird
»ſchon im ganzen Pfarrſpiel ruchtbar — Siehſt du
»Frau, einen ſolchen Satanas haben wir mit einan¬
»der erzogen und geboren, du biſt ſchuld — Was
»lauſcht Er denn da, ſcheer' Er ſich einmal fort zu
»ſeinen Kunden, H. Feldſcheer, und ſchwaͤrz' er ſei¬
»nen Seelenhirten nirgends an, und breit' ers nicht
»aus» — — Jetzt kam die ſanfte Klotilde, nieder¬
geſenkt und mit dem Schnupftuch in der Hand,
weil ſie errieth, was das Herz einer untroͤſtlichen
Mutter beduͤrfe, naͤmlich zwei liebende Arme, als ei¬
nen Verband um die zerſchmetterte Bruſt, und tau¬
ſend Balſamtropfen fremder Thraͤnen auf das unter
den Splittern ſchwellende Herz. Sie ging auf die
Mutter mit ofnen Armen zu und ſchloß ſie darin
ſprachlos weinend ein. Der naͤrriſche Pfarrer fiel

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[332/0342] Meſſer reden: »o Jammer uͤber allen Jammer — »ſcheer' Er doch fixer zu, mein H. Feldſcheer — »Frau, heule nur wenigſtens» — Er ſchwenkte in ſeiner verhaltenen Pein die Hand ſchlotternd, um den Arm und das Kinn nicht zu erſchuͤttern: »Um »Gottes Willen, kann Er mich denn nicht hurtig »ſchinden? — Er hat einen armen Hiob unter »dem Meſſer — es iſt mein letzter Bart — man »wird mich und mein Haushalten gefaͤnglich einzie¬ »hen — Du Rabenkind, dein Vater kann deinet¬ »wegen dekollirt werden, du Kain du!» Er lief an alle Fenſter: »Daß Gott erbarm'! das wird »ſchon im ganzen Pfarrſpiel ruchtbar — Siehſt du »Frau, einen ſolchen Satanas haben wir mit einan¬ »der erzogen und geboren, du biſt ſchuld — Was »lauſcht Er denn da, ſcheer' Er ſich einmal fort zu »ſeinen Kunden, H. Feldſcheer, und ſchwaͤrz' er ſei¬ »nen Seelenhirten nirgends an, und breit' ers nicht »aus» — — Jetzt kam die ſanfte Klotilde, nieder¬ geſenkt und mit dem Schnupftuch in der Hand, weil ſie errieth, was das Herz einer untroͤſtlichen Mutter beduͤrfe, naͤmlich zwei liebende Arme, als ei¬ nen Verband um die zerſchmetterte Bruſt, und tau¬ ſend Balſamtropfen fremder Thraͤnen auf das unter den Splittern ſchwellende Herz. Sie ging auf die Mutter mit ofnen Armen zu und ſchloß ſie darin ſprachlos weinend ein. Der naͤrriſche Pfarrer fiel

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/342>, abgerufen am 18.05.2024.