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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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für die Welt -- die Wahrheit wird wie die medi¬
zeische Venus in dreißig Trümmern der Nachwelt
übergeben, aber diese wird sie in eine Göttin zusam¬
menfügen -- und dein Tempel, ewige Wahrheit, der
jetzt halb unter der Erde steht, ausgehöhlt von den
Erbbegräbnissen deiner Märtyrer, wird sich endlich
über die Erde heben, und eisern mit jedem Pfeiler
in einem theuern Grabe stehen!

Ende!

Kato ritt dem nach Kusseviz geflüchteten Mat¬
thieu nach und legte ihm mit französischer Bered¬
samkeit den Plan Flamins, zu sterben, und ihren
eignen, ihn zu retten vor. Maz genehmigte alles,
aber er glaubte nichts: er blieb noch außer Landes.
Doch erbat er sich, es ihm nicht übel zu nehmen,
wenn er Flamins edle Aufopferung mit etwas ver¬
gälte, was wider ihren Plan, aber über ihre Hof¬
nungen wäre. Will er etwan dem Fürsten es sagen,
daß sein Sohn in der Haft sitzt? --

In drei Minuten gehen die Leser und ich in die
Apotheke zum Helden, wenn nur vorher berichtet
worden ist, daß als der leere blutige Gaul des Kam¬
merherrn und die Drillinge mit der lügenhaften
Hiobspost des Mordes ans Pfarrfenster kamen, der
Hofcaplan eingeseift und halb rasiert war. Er
mußte daher still sitzen und nur langsam unter dem

fuͤr die Welt — die Wahrheit wird wie die medi¬
zeiſche Venus in dreißig Truͤmmern der Nachwelt
uͤbergeben, aber dieſe wird ſie in eine Goͤttin zuſam¬
menfuͤgen — und dein Tempel, ewige Wahrheit, der
jetzt halb unter der Erde ſteht, ausgehoͤhlt von den
Erbbegraͤbniſſen deiner Maͤrtyrer, wird ſich endlich
uͤber die Erde heben, und eiſern mit jedem Pfeiler
in einem theuern Grabe ſtehen!

Ende!

Kato ritt dem nach Kuſſeviz gefluͤchteten Mat¬
thieu nach und legte ihm mit franzoͤſiſcher Bered¬
ſamkeit den Plan Flamins, zu ſterben, und ihren
eignen, ihn zu retten vor. Maz genehmigte alles,
aber er glaubte nichts: er blieb noch außer Landes.
Doch erbat er ſich, es ihm nicht uͤbel zu nehmen,
wenn er Flamins edle Aufopferung mit etwas ver¬
gaͤlte, was wider ihren Plan, aber uͤber ihre Hof¬
nungen waͤre. Will er etwan dem Fuͤrſten es ſagen,
daß ſein Sohn in der Haft ſitzt? —

In drei Minuten gehen die Leſer und ich in die
Apotheke zum Helden, wenn nur vorher berichtet
worden iſt, daß als der leere blutige Gaul des Kam¬
merherrn und die Drillinge mit der luͤgenhaften
Hiobspoſt des Mordes ans Pfarrfenſter kamen, der
Hofcaplan eingeſeift und halb raſiert war. Er
mußte daher ſtill ſitzen und nur langſam unter dem

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[331/0341] fuͤr die Welt — die Wahrheit wird wie die medi¬ zeiſche Venus in dreißig Truͤmmern der Nachwelt uͤbergeben, aber dieſe wird ſie in eine Goͤttin zuſam¬ menfuͤgen — und dein Tempel, ewige Wahrheit, der jetzt halb unter der Erde ſteht, ausgehoͤhlt von den Erbbegraͤbniſſen deiner Maͤrtyrer, wird ſich endlich uͤber die Erde heben, und eiſern mit jedem Pfeiler in einem theuern Grabe ſtehen! Ende! Kato ritt dem nach Kuſſeviz gefluͤchteten Mat¬ thieu nach und legte ihm mit franzoͤſiſcher Bered¬ ſamkeit den Plan Flamins, zu ſterben, und ihren eignen, ihn zu retten vor. Maz genehmigte alles, aber er glaubte nichts: er blieb noch außer Landes. Doch erbat er ſich, es ihm nicht uͤbel zu nehmen, wenn er Flamins edle Aufopferung mit etwas ver¬ gaͤlte, was wider ihren Plan, aber uͤber ihre Hof¬ nungen waͤre. Will er etwan dem Fuͤrſten es ſagen, daß ſein Sohn in der Haft ſitzt? — In drei Minuten gehen die Leſer und ich in die Apotheke zum Helden, wenn nur vorher berichtet worden iſt, daß als der leere blutige Gaul des Kam¬ merherrn und die Drillinge mit der luͤgenhaften Hiobspoſt des Mordes ans Pfarrfenſter kamen, der Hofcaplan eingeſeift und halb raſiert war. Er mußte daher ſtill ſitzen und nur langſam unter dem

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/341>, abgerufen am 23.11.2024.