Seiten des Fürstenpaars und der Wittwe -- über die Gränze hinüber nach Kusseviz.
Flamin wurde ein Eisberg -- dann ein Vulkan -- dann eine wilde Flamme -- dann ergrif er die Hände der Britten und sagte: "ich, blos ich hab' "den hier getödtet. Mein Freund hätte nichts mit "ihm gehabt. Aber da er für mich gesündigt hat: "so ists Pflicht, daß ich für ihn büße -- Ich will "sterben; ich gebe mich bei den Richtern für den "Mörder aus, damit ich hingerichtet werde -- und "ihr müsset wie ich aussagen." -- Aber er ent¬ deckte ihnen jetzt einen viel höhern Antrieb zu seiner kühnen Lüge: wenn ich sterbe, sagt' er immer glü¬ hender, so müssen sie mich auf dem Richtplatz sa¬ gen lassen, was ich will. Da will ich Flammen un¬ ter das Volk werfen, die den Thron einäschern sol¬ len. Ich will sagen: "seht, hier neben dem Richt¬ "schwert bin ich so fest und froh wie ihr, und ich "habe doch nur Einen Nichtswürdigen aus der Welt "geworfen. Ihr könntet Blutigel, Wölfe, und "Schlangen und einen Lämmergeier zugleich fangen "und einsperren -- ihr könntet ein Leben voll Frei¬ "heit erbeuten, oder einen Tod voll Ruhm. Sind "denn die tausend aufgerissenen Augen um mich alle "starblind, die Arme alle gelähmt, daß keiner den "langen Blutigel sehen und wegschleudern will, der "über euch alle hinkriecht und dem der Schwanz
Seiten des Fuͤrſtenpaars und der Wittwe — uͤber die Graͤnze hinuͤber nach Kuſſeviz.
Flamin wurde ein Eisberg — dann ein Vulkan — dann eine wilde Flamme — dann ergrif er die Haͤnde der Britten und ſagte: »ich, blos ich hab' »den hier getoͤdtet. Mein Freund haͤtte nichts mit »ihm gehabt. Aber da er fuͤr mich geſuͤndigt hat: »ſo iſts Pflicht, daß ich fuͤr ihn buͤße — Ich will »ſterben; ich gebe mich bei den Richtern fuͤr den »Moͤrder aus, damit ich hingerichtet werde — und »ihr muͤſſet wie ich ausſagen.» — Aber er ent¬ deckte ihnen jetzt einen viel hoͤhern Antrieb zu ſeiner kuͤhnen Luͤge: wenn ich ſterbe, ſagt' er immer gluͤ¬ hender, ſo muͤſſen ſie mich auf dem Richtplatz ſa¬ gen laſſen, was ich will. Da will ich Flammen un¬ ter das Volk werfen, die den Thron einaͤſchern ſol¬ len. Ich will ſagen: »ſeht, hier neben dem Richt¬ »ſchwert bin ich ſo feſt und froh wie ihr, und ich »habe doch nur Einen Nichtswuͤrdigen aus der Welt »geworfen. Ihr koͤnntet Blutigel, Woͤlfe, und »Schlangen und einen Laͤmmergeier zugleich fangen »und einſperren — ihr koͤnntet ein Leben voll Frei¬ »heit erbeuten, oder einen Tod voll Ruhm. Sind »denn die tauſend aufgeriſſenen Augen um mich alle »ſtarblind, die Arme alle gelaͤhmt, daß keiner den »langen Blutigel ſehen und wegſchleudern will, der »uͤber euch alle hinkriecht und dem der Schwanz
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0337"n="327"/>
Seiten des Fuͤrſtenpaars und der Wittwe — uͤber<lb/>
die Graͤnze hinuͤber nach Kuſſeviz.</p><lb/><p>Flamin wurde ein Eisberg — dann ein Vulkan<lb/>— dann eine wilde Flamme — dann ergrif er die<lb/>
Haͤnde der Britten und ſagte: »ich, blos ich hab'<lb/>
»<hirendition="#g">den</hi> hier getoͤdtet. Mein Freund haͤtte nichts mit<lb/>
»ihm gehabt. Aber da er fuͤr mich geſuͤndigt hat:<lb/>
»ſo iſts Pflicht, daß ich fuͤr ihn buͤße — Ich will<lb/>
»ſterben; ich gebe mich bei den Richtern fuͤr den<lb/>
»Moͤrder aus, damit ich hingerichtet werde — und<lb/>
»ihr muͤſſet wie ich ausſagen.» — Aber er ent¬<lb/>
deckte ihnen jetzt einen viel hoͤhern Antrieb zu ſeiner<lb/>
kuͤhnen Luͤge: wenn ich ſterbe, ſagt' er immer gluͤ¬<lb/>
hender, ſo muͤſſen ſie mich auf dem Richtplatz ſa¬<lb/>
gen laſſen, was ich will. Da will ich Flammen un¬<lb/>
ter das Volk werfen, die den Thron einaͤſchern ſol¬<lb/>
len. Ich will ſagen: »ſeht, hier neben dem Richt¬<lb/>
»ſchwert bin ich ſo feſt und froh wie ihr, und ich<lb/>
»habe doch nur Einen Nichtswuͤrdigen aus der Welt<lb/>
»geworfen. Ihr koͤnntet Blutigel, Woͤlfe, und<lb/>
»Schlangen und einen Laͤmmergeier zugleich fangen<lb/>
»und einſperren — ihr koͤnntet ein Leben voll Frei¬<lb/>
»heit erbeuten, oder einen Tod voll Ruhm. Sind<lb/>
»denn die tauſend aufgeriſſenen Augen um mich alle<lb/>
»ſtarblind, die Arme alle gelaͤhmt, daß keiner den<lb/>
»langen Blutigel ſehen und wegſchleudern will, der<lb/>
»uͤber euch alle hinkriecht und dem der Schwanz<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[327/0337]
Seiten des Fuͤrſtenpaars und der Wittwe — uͤber
die Graͤnze hinuͤber nach Kuſſeviz.
Flamin wurde ein Eisberg — dann ein Vulkan
— dann eine wilde Flamme — dann ergrif er die
Haͤnde der Britten und ſagte: »ich, blos ich hab'
»den hier getoͤdtet. Mein Freund haͤtte nichts mit
»ihm gehabt. Aber da er fuͤr mich geſuͤndigt hat:
»ſo iſts Pflicht, daß ich fuͤr ihn buͤße — Ich will
»ſterben; ich gebe mich bei den Richtern fuͤr den
»Moͤrder aus, damit ich hingerichtet werde — und
»ihr muͤſſet wie ich ausſagen.» — Aber er ent¬
deckte ihnen jetzt einen viel hoͤhern Antrieb zu ſeiner
kuͤhnen Luͤge: wenn ich ſterbe, ſagt' er immer gluͤ¬
hender, ſo muͤſſen ſie mich auf dem Richtplatz ſa¬
gen laſſen, was ich will. Da will ich Flammen un¬
ter das Volk werfen, die den Thron einaͤſchern ſol¬
len. Ich will ſagen: »ſeht, hier neben dem Richt¬
»ſchwert bin ich ſo feſt und froh wie ihr, und ich
»habe doch nur Einen Nichtswuͤrdigen aus der Welt
»geworfen. Ihr koͤnntet Blutigel, Woͤlfe, und
»Schlangen und einen Laͤmmergeier zugleich fangen
»und einſperren — ihr koͤnntet ein Leben voll Frei¬
»heit erbeuten, oder einen Tod voll Ruhm. Sind
»denn die tauſend aufgeriſſenen Augen um mich alle
»ſtarblind, die Arme alle gelaͤhmt, daß keiner den
»langen Blutigel ſehen und wegſchleudern will, der
»uͤber euch alle hinkriecht und dem der Schwanz
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/337>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.